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BGH Urt. v. 27.01.2022 – 3 StR 245/21: Zur sukzessiven Mittäterschaft

Sachverhalt:

Die Angeklagten A und Z gingen mit V und B durch die Innenstadt. Auf dem Weg verständigten sich die Angeklagten spontan darauf, ihren beiden Begleitern unter Androhung von Gewalt deren Wertgegenstände abzunehmen. Zu diesem Zweck warf Z eine von ihm mitgeführte, zwischenzeitlich geleerte Bierflasche aus kurzer Distanz V mit Wucht ins Gesicht, der daraufhin benommen war und stark blutete. Auf die von Z mit erhobenen Fäusten ausgesprochene Forderung gab er seine Wertgegenstände heraus und entfernte sich ein paar Meter. A wusste nicht und war nicht damit einverstanden, dass sein Komplize zur Tatbegehung eine Bierflasche einsetzte; zuvor hatte er sie nicht wahrgenommen.

B wollte V zu Hilfe eilen. Daraufhin ergriff A den B
in Umsetzung des Tatplans von hinten und zerrte ihn mit einem Würgegriff zu Boden. Sodann setzte er sich auf ihn und verlangte von ihm mit erhobenen Fäusten die Herausgabe von dessen Mobiltelefon; dem kam der Bedrohte nach.

Anschließend liefen beide Angeklagte mitsamt ihrer Beute davon.

Aus den Gründen:

Die von Z begangene gefährliche Körperverletzung kann A nicht zugerechnet werden. Dieses Delikt war von dem gemeinsamen Tatentschluss nicht umfasst und bereits beendet, als A in das Geschehen eingriff, da der Verletzungs­erfolg schon eingetreten war. Nach materieller Tatbeendigung kommt eine sukzessive Mittäterschaft nicht mehr in Betracht. (Rn. 14)

Anders liegt es jedoch bei der besonders schweren räuberischen Erpressung. A hatte sich mit Z von Anfang an auf die (einfache) räuberische Erpressung verständigt. Indem A weiter an der Tatausführung mitwirkte, nachdem er den Einsatz der Bierflasche wahrgenommen hatte, könnte er weitergehend sukzessiver Mittäter des qualifizierten Delikts gewesen sein. (Rn. 15)

„Sukzessive Mittäterschaft, die sich auch auf die Verwirklichung von Qualifikations­merkmalen beziehen kann, ist gegeben, wenn ein Mittäter in Kenntnis und mit Billigung des bisher Geschehenen – wenngleich dies von dem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht – in die bereits begonnene Ausführungs­handlung eines anderen eintritt. Das Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass sie nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet wird. Nur für das, was vollständig abgeschlossen vorliegt, vermag das Einverständnis eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht zu begründen, selbst wenn der Hinzutretende die Folgen kennt, billigt und ausnutzt. Ein zur Mittäterschaft führender Eintritt ist noch nach der Tatvollendung möglich, solange der zunächst allein Handelnde die Tat nicht materiell beendet hat. Infolgedessen kann eine vom ursprünglichen Tatplan nicht umfasste Erfüllung eines Qualifikations­merkmals selbst dann zugerechnet werden, wenn von dem Hinzutretenden in Kenntnis und unter Ausnutzung des qualifizierenden Umstands auf die Sicherung des Taterfolgs gerichtete Handlungen vorgenommen werden. Dies gilt nicht nur, wenn zum Zeitpunkt des Eingreifens der Erschwernisgrund noch vorliegt, sondern auch, wenn dieser bereits abgeschlossen ist, solange das auf die Verwirklichung des Tatbestands gerichtete Täter­verhalten nicht insgesamt beendet ist.“ (Rn. 16)

Als A sich in Umsetzung des Tatplans zum Eingreifen entschloss, war dieses Delikt zwar voll-, aber nicht beendet. Somit ist eine sukzessive Mittäterschaft an der besonders schweren räuberischen Erpressung möglich.

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