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Das Projekt

Das Projekt will einen rechts­übergreifenden Theorienansatz erforschen, welcher den Menschen mit seinen Bedürfnissen aber auch als abhängigen Teil der ihn umgebenden Natur begreift und ins Zentrum der Befassung mit dem Recht stellt. Es zielt darauf ab, die Trag­fähigkeit eines neuen methodischen Ansatzes in der Rechts­wissenschaft („law and nature“) zu testen und erste Elemente dieses Ansatzes zu formulieren. Der vorgeschlagene Ansatz hat dabei den Anspruch, theoretisch fundiert, aber auch praktisch handhabbar zu sein.

  • Tatsächliche Gegebenheiten und Ausgangslage

    Der Mensch lebt mittlerweile im Anthropozän. Er verändert seine Umwelt immer rascher und intensiver. Katastrophale Wetterereignisse nehmen zu, die Meeresspiegel steigen, das Klima erwärmt sich, es kommt zu Missernten, Hungersnöten, Migrations­bewegungen, massenhaftem Artensterben. Von diesen Aus­wirkungen sind alle Lebens­bereiche betroffen: Gesundheit, Ernährung, Landwirtschaft, Fischerei, Hausbau, Verkehr, Handel und Wirtschaft.

    Ist die Lebens­raumveränderung durch menschliches Verhalten hervorgerufen, so liegt es nahe, das menschliche Verhalten zukünftig in einer naturverträglichen Weise zu steuern. Die Steuerung menschlichen Verhaltens erfolgt weitestgehend durch Recht, das z.B. bestimmte Verhaltensweisen ge- oder verbietet.

  • Bisherige Ansätze im Hinblick auf Natur und Recht

    Zwar haben sich bereits Rechts­wissenschaft und -praxis mit „Natur“ befasst. Eine systematische Theorie, wie Recht beschaffen sein muss und gestaltet werden kann, damit der Mensch im Einklang mit einer möglichst intakten Natur überleben kann, in der Er­kenntnisse aus Rechts­wissenschaft und Natur­wissenschaft interdisziplinär zu einem neuen Ansatz zusammengefügt werden, wie es das hier vorliegende Projekt anstrebt, existiert hingegen noch nicht.

    Als klassisch kann man die Diskussion um das „Naturrecht“ nennen, das jedoch auf die Natur des Menschen und hieraus resultierende Rechte bezogen ist, aber sich nicht mit Rechten von Natur oder Umwelt befasst. In den 1970er und 1980er Jahren entstand eine Debatte um die Entstehung von Recht, in der es auch um eine Art natürliche Selbsterzeugung ging. Hierbei ging es jedoch weniger um die Stellung des Menschen in der Natur, als vielmehr um neue Erklärungs­ansätze, was Recht zu Recht werden lässt.

    Näher am hier vorgeschlagenen Forschungs­ansatz ist die jüngste Anerkennung des Rechts auf eine gesunde Umwelt als Menschenrecht durch den Menschenrechts­rat der Vereinten Nationen. Auch im Regime des Europarates wird die Annahme eines Protokolls zur Europäischen Menschenrechts­konvention diskutiert, welches das Recht auf eine gesunde Umwelt anerkennen soll. Ebenfalls auf internationaler Ebene wurde kürzlich der Vorschlag eines neuen Deliktes (Ökozid) in der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs aufgebracht. Überdies gibt es mit den Strömungen „Earth System Governance“ und dem Umwelt-Konstitutionalismus auch erste Ansätze, Recht unter Berücksichtigung der Er­kenntnisse, dass der Mensch massiv zur Veränderung der Natur beiträgt, zu konzipieren. In eine ähnliche Richtung geht es, wenn in einigen Staaten z.B. Flüssen bereits eine Rechts­persönlichkeit zuerkannt wird, die für Naturschutz­maßnahmen aktiviert werden kann. Zusätzlich wird in der Literatur vermehrt über Rechte von Tieren, Pflanzen oder Naturräumen reflektiert.

    Zur Schutz­wirkung nationaler Grundrechte im Bereich Klimawandel und Umweltschutz sind in den letzten Jahren erste Judikate ergangen. Zwar waren die Rechts­schutz­suchenden mit ihren Begehren u.a. in Deutschland, den Niederlanden und Irland teilweise erfolgreich. Gerichte, die über Einzelfälle entscheiden und an das geltende, aber zersplitterte Recht gebunden sind, können jedoch keine übergreifende Systembildung schaffen. Bei den Diskussionen, welche lediglich einzelne Aspekte von Recht und Natur betonen (etwa: Tierrechte, Eigenrechte der Natur etc.), besteht die Gefahr, dass der weiteren Zersplitterung der Rechts­lage Vorschub geleistet wird, ohne dass ein entsprechender Nutzen hiermit korrespondiert.

  • Defizite des bisherigen Umwelt- und Naturschutz­rechts

    Das bisherige Umwelt- und Naturschutz­recht weist folgende Defizite aus:

    1. Es ist fragmentiert. So ist beispielsweise das Vorhaben eines einheitlichen Umweltgesetzbuchs gescheitert. Diverse Regelungen sprechen lediglich einzelne Umweltmedien oder Zustände an (BBodSchG, WHG, TA Luft), ohne die Wechsel­wirkungen von Eingriffen ausreichend berücksichtigen zu können.

    2. Für die verschiedenen Umweltmedien, -zustände oder umweltschädigende Verhaltensweisen gelten unterschiedliche Regelungs­ansätze. Es existieren allenfalls vereinzelt übergreifende Konzepte. Z.B. gibt es kein einheitliches Verfahren für die Planung und Zulassung von Großvorhaben, vielmehr werden diese Entscheidungen entweder als Planfeststellung oder als Genehmigung getroffen. Diese unterscheiden sich sowohl dem Inhalt nach (z.B. ist im Genehmigungs­verfahren die Frage über den Standort des Vorhabens nicht Teil der Gesamtabwägung) als auch bezüglich der anzuwendenden allgemeinen Regelungen.

    3. Es gibt keine allgemeinen Regelungen über die Berücksichtigung der Interessen der Natur. In Planungs- bzw. Genehmigungs­verfahren ist Natur z.B. zwar ein Belang, der in der Abwägung über die Zulassung des Vorhabens zu berücksichtigen ist. Dieser Belang kann jedoch durch andere Belange überwunden werden. Überdies spielt der Faktor Zeit nahezu keine Rolle: weder wird berücksichtigt, dass die Natur an vielen Orten bereits dauerhaft durch menschliche Eingriffe verändert worden ist, noch verarbeitet das Recht, wie sich Eingriffe in Zukunft entwickeln werden.

    4. Die Geltendmachung der Interessen der Natur fällt hauptsächlich den anerkannten Natur- und Umweltschutz­organisationen zu, die dazu in gesetzlich ausgewiesenen Fällen ermächtigt werden (UmwRG). Dies hat dazu geführt, dass in der Debatte über das Für und Wider dieser Vorhaben, einzelne Pflanzen- oder Tierarten als „Surrogat“ dienen und ausschließlich Umwelt­organisationen für ihren Erhalt eintreten. Dies sorgt in der Allgemeinheit für Unverständnis. Zusätzlich entstehen Frontstellungen („die“ Wirtschaft oder Landwirtschaft gegen „die“ Natur).

  • Ziel: Forschungs­perspektive „law and nature“

    Ziel ist es, herauszufinden, ob sich eine neue rechts­wissenschaft­liche Forschungs­disziplin „law and nature“ vergleichbar zu Ansätzen wie „law and economics“ entwickeln lässt. Das Projekt soll den Anfang und ersten Schritt für die Exploration dieses neuen theoretischen Ansatzes zu „Recht und Natur“ bilden.

    Welcher Zustand von Natur nötig und erstrebenswert ist kann nicht durch Recht bestimmt und ermittelt werden. Hier kann das Recht lediglich anhand anderer Disziplinen ermittelte Ziele als Vorgabe übernehmen. Die dominierende rechts­wissenschaft­liche Methode der Rechts­dogmatik ist jedoch durch Abwesenheit von Interdisziplinarität geprägt. Deshalb soll untersucht werden, ob und wie eine natur- oder umwelt­orientierte Auslegungs­methode in die Dogmatik hineingetragen werden kann, um den neuen Theorieansatz praxiswirksam werden zu lassen. 

  • Verantwortliche