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BGH, Beschl. v. 8.12.2015 – 3 StR 439/15: Zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme

Sachverhalt:

Der Mitangeklagte L. überfiel allein mehrere Tankstellen, die zuvor beide Angeklagte gemein-sam nach bestimmten Kriterien ausgesucht hatten. Zur Begehung dieser Straftaten hatten sie sich aus Geldnot entschlossen. Beide bestritten ihren Lebens­bedarf aus der Tatbeute. L. hatte für die Überfälle – mit Wissen und Billigung der Angeklagten A – einen Schreckschussrevol-ver, Munition und Pfefferspray erworben, mit der er – wie von beiden von Anfang an geplant – das Tankstellenpersonal bedrohte. In einigen Fällen benutzten die Angeklagten für die Fahrten zu den Tatorten und von diesen weg Fahrzeuge, die die Angeklagte auf ihren Namen ange-mietet hatte. In anderen Fällen war die Angeklagte bei diesen Fahrten jeweils die Fahrzeug-führerin oder fuhr als Beifahrerin zu den Tatorten mit und wartete im Fahrzeug auf dem Bei-fahrersitz.

Zur Frage der Teilnehmerschaft der A entschied das Landgericht, A sei Mittäterin der Erpres-sungs­taten gewesen. Der BGH teilt diese Annahme nicht.

Generell zur Abgrenzung von Mittäterschaft zur Beihilfe führt er aus:

„Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mit­wirkung am Kerngeschehen selbst und auch kei-ne Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungs­handlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mit­wirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob da-nach Mittäterschaft oder Beihilfe anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeb-lich auch vom Willen des Betreffenden.“ (Rn. 7)

Anders als in den übrigen Fällen, bei denen A den L. zum Tatort gebracht, während des Über-falls auf dem Fahrersitz fluchtbereit auf ihn gewartet und ihn danach mit dem Fahrzeug vom Tatort weggefahren hatte, wirkte sie in den anderen Fällen lediglich beim Ausspähen der Tankstellen mit, begleitete den L. bei den Fahrten zu den Tatorten und nach den Überfällen von diesen weg als Beifahrerin und wartete während der Taten auf die Rückkehr des L. (Rn. 6)

Die Tätigkeit der A stellt sich nach dem äußeren Erscheinungs­bild als Beteiligungs­handlung an den Erpressungs­taten des L dar, die für sich weder auf eine Tatherrschaft noch auf einen Willen hierzu schließen lassen. Die Taten beging der L. alleine; ihre Ausführung und ihr Erfolg waren in jeder Hinsicht dem Einfluss und dem Willen der A entzogen. Der gemeinsame Ta-tentschluss und das auch aus dem Bestreiten des gemeinsamen Lebens­bedarfes folgende Interesse der A am Gelingen der Überfälle führen zu keiner abweichenden Bewertung. (Rn. 7)

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