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BGH, Beschl. v. 23.08.2023 – StB 51/23: Zum Sichbereiterklären nach § 30 II Var. 3 StGB

Sachverhalt: (Rn. 2 – 5)

Der Angeklagten wurde am Mittag des 16. November 2022 telefonisch aufgefordert, am Folgetag gegen 23 Uhr einen Brandsatz auf eine noch näher zu bezeichnende Synagoge in der Nähe des Wohnorts des Angeklagten zu werfen. Dieser solle ihm bis 21 Uhr desselben Tages über seine Bereitschaft Bescheid geben. Der Angeklagte habe es so verstanden, dass es sich um die Synagoge in D. handele. Da er sich zunächst nicht zugetraut habe, den Anschlag allein auszuführen, habe er sich am Nachmittag des 16. November 2022 mit einem Dritten getroffen und ihn aufgefordert, am nächsten Tag gemeinsam einen Brandanschlag auf die Synagoge in D. zu verüben. Nach dem Treffen habe sich der Angeklagte gegen 19 Uhr gegenüber seinem Auftraggeber bereiterklärt, den Anschlag auszuführen. Der Dritte habe dem Angeklagten jedoch rund eine Stunde später mitgeteilt, sich an der Tat nicht beteiligen zu wollen, sich am nächsten Tag an die Polizei gewandt und dies dem Angeklagten dann gegen 17 Uhr eröffnet.

Am Morgen des 17. November 2022 habe der Auftraggeber dem Angeklagten per Videotelefonat die Synagoge in B. als Ziel des geplanten Anschlags benannt. Der Angeklagte habe keine andere Möglichkeit gesehen, als den Brandanschlag allein auszuführen. Er habe einen Brandsatz vorbereitet und am Abend das ihm bis dahin unbekannte Areal um die Synagoge erkundet. Da die Synagoge gut beleuchtet und erkennbar videoüberwacht gewesen sei, habe er aus Angst vor Entdeckung den ursprünglichen Plan aufgegeben, den mitgeführten „Molotow-Cocktail“ auf die Synagoge zu werfen.

Darauf folgt als weiterer Vorwurf („Tat zu Ziffer 2“), dass der Angeklagte den Brandsatz gegen die Fassade eines nahegelegenen Schulgebäudes geworfen habe.

Aus den Gründen:

Das Oberlandes­gericht hat die Anklage des Generalbundes­anwalts lediglich in Bezug auf eine versuchte Brandstiftung und nicht in Bezug auf ein versuchtes Bestimmen eines anderen zur Begehung schwerer Brandstiftung zugelassen. (R. 1)

Die Voraussetzungen für die Eröffnung des Haupt­verfahrens vor dem OLG und in der Folge auch für die gemeinsame dortige Verhandlung des weiteren Tatvorwurfs sind gegeben. Indes ist die Tat rechtlich abweichend zu würdigen. (Rn. 6)

Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Haupt­verfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tat­bewertung auf Grundlage des Ermittlungs­ergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist. Im Gegensatz zum dringenden Tatverdacht nach § 112 I 1 oder § 126a StPO wird hier also ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt. Erst recht ist zur Eröffnung des Haupt­verfahrens nicht die für eine Verurteilung notwendige volle richterliche Überzeugung erforderlich. Der Bundes­gerichtshof hat als Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeits­urteil des Oberlandes­gerichts und dessen rechtliche Bewertung in vollem Umfang nachzuprüfen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbstständig zu würdigen. (Rn. 7)

Der erhobene Tatvorwurf als solcher wird in einer Hauptverhandlung hinreichend wahrscheinlich nachzuweisen sein. Auf dieser Grundlage ist das dem Angeklagten zur Last liegende Geschehen als Sichbereiterklären zur schweren Brandstiftung (§ 306a I Nr. 2, § 30 II Var. 3 StGB) – zum einen gegenüber dem Auftraggeber, zum anderen gegenüber dem Dritten – einzuordnen. (Rn. 10)

Voraussetzung für ein Sichbereiterklären ist die ernstgemeinte, mit Bindungs­willen gegenüber dem Adressaten abgegebene Kundgabe der eigenen Bereitschaft zur täterschaft­lichen Verwirklichung eines Verbrechens. Dies kann entweder in Form der Annahme einer Aufforderung oder als aktives Erbieten geschehen. Im letzteren Fall gilt dies jedenfalls dann, wenn der Erbietende als präsumtiver Täter seinen Tatentschluss unter die Bedingung der Annahme seines Erbietens stellt. (Rn. 11)

Neben dem Sichbereiterklären zu einem Verbrechen ist für eine Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zur mittäterschaft­lichen Begehung der nämlichen Tat kein Raum. Derjenige, der sich selbst zu einem Verbrechen bereiterklärt, kann mit Blick auf den Gesetzeswortlaut nicht auch wegen versuchter Anstiftung eines anderen zu derselben Tat verurteilt werden. (Rn. 12)

Demgemäß sind die Voraussetzungen eines Sichbereiterklärens nach dem durch Beweismittel hinreichend belegten Anklagevorwurf in zweierlei Hinsicht gegeben. (Rn. 13)

So erklärte der Angeklagte seine Bereitschaft zur gemeinsamen Tatbegehung – als Mittäter – gegenüber dem von ihm angesprochenen Dritten, indem er ihn aufforderte, gemeinsam am Folgetag einen Brandanschlag auf die Synagoge in D. zu verüben, und dazu den Plan unterbreitete, er selbst werde Benzin um das Gebäude vergießen, während der Dritte darauf einen Brandsatz werfen solle. Der Angeklagte hatte sein Vorhaben ernst gemeint und war zu einer Tatbegehung unabhängig von dem Dritten noch nicht fest entschlossen, da er sich zunächst nicht zutraute, den Brandanschlag allein auszuführen. Demnach kommt daneben, wie dargelegt, eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung des Dritten nicht in Betracht. (Rn. 14)

Des Weiteren erklärte sich der Angeklagte im Anschluss gegenüber seinem Auftraggeber bereit, einen Brandanschlag auf eine von diesem näher zu bezeichnende Synagoge zu begehen. Hierin ist nach der gegenwärtigen Beweislage im Sinne eines hinreichenden Verdachtes ebenfalls ein Sichbereiterklären zu sehen. Darüber hinaus kommt grundsätzlich auch in Betracht, dass sich der Angeklagte mit seinem Hintermann zur schweren Brandstiftung sogar verabredet haben könnte (§ 306a I Nr. 2, § 30 II Var. 3 StGB); dies ginge dem Sichbereiterklären vor.  Dafür ist es allerdings erforderlich, dass die in Aussicht genommene Tat als Mittäter begangen werden soll. Obschon gewisse Anhaltspunkte eine Einordnung des Auftraggebers als Mittäter möglich erscheinen lassen, führen sie insofern bislang nicht zu einem hinreichenden Verdacht.  (Rn. 15)

Von dem Versuch der Beteiligung ist der Angeklagte aufgrund der derzeit maßgeblichen Beweislage nicht im Sinne des § 31 I Nr. 2 StGB zurückgetreten. Für die Straflosigkeit muss der präsumtive Täter sein Vorhaben freiwillig aufgeben. Unabhängig von den Anforderungen an die Aufgabe eines Vorhabens im Einzelnen sah der Angeklagte jedenfalls nicht freiwillig von der Tat ab. (Rn. 16 f.)

Das Merkmal der Freiwilligkeit, das in § 31 I StGB in gleicher Weise auszulegen ist wie in § 24 StGB, ist als subjektives Element aus der Sicht des Täters zu beurteilen. Ob dieser freiwillig zurücktrat, hängt nach ständiger Rechts­prechung davon ab, ob er noch „Herr seiner Entschlüsse“ blieb und ob er die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich hielt. Die Tataufgabe kann unfreiwillig sein, wenn sich der Täter mit einer ihm, verglichen mit der Tatplanung, derart ungünstigen Risikoerhöhung konfrontiert sieht, dass er das mit der Tat verbundene Wagnis nunmehr als unvertretbar hoch einschätzt. (Rn. 18)

Für einen Rücktritt nach § 31 I Nr. 2 StGB kommt es also darauf an, ob sich die Risikoeinschätzung des Täters nach dem Sichbereiterklären entscheidend modifizierte. Der dagegen im Schrifttum geltend gemachte, für eine weitergehende Annahme von Freiwilligkeit herangezogene Einwand, es gehe bei einem Vorbereitungs­täter eher um eine kühle Abwägung als um zwingende Hindernisse, ließe sich ebenso bei einem Rücktritt nach Versuchsbeginn wegen unerwarteter Risikoerhöhung erheben und ist kein Grund für eine abweichende Beurteilung. Entscheidend bleibt daher, ob der Täter das Wagnis angesichts der neuen Umstände als unvertretbar hoch einschätzt. Verbleibende Zweifel der Freiwilligkeit sind zu Gunsten des Täters zu lösen. (Rn. 19)

Gemessen daran gab der Angeklagte nach der hier maßgeblichen Verdachtslage die geplante Tat nicht freiwillig auf. Nach vorläufiger Würdigung erachtete er damit letztlich das Risiko mit Blick auf die ihm zuvor – im Zeitpunkt des Sichbereiterklärens – unbekannte Videoüberwachung und Beleuchtung als so groß, dass es ihm unvertretbar erschien. Hierfür spricht auch, dass er nicht von seinem Brandanschlag insgesamt Abstand nahm, sondern ein benachbartes Tatobjekt wählte, das jene Sicherheitsvorkehrungen nicht aufwies. (Rn. 20)

Das Sichbereiterklären in Bezug auf den Brandanschlag auf eine Synagoge steht in Tatmehrheit zu der anschließenden versuchten Brandstiftung betreffend eine Schule. Die gesamten Planungen bezogen sich, ausgehend von den Vorgaben des Auftraggebers, auf eine Synagoge. Dem Anklagevorwurf zufolge entschloss sich der Angeklagte erst, als er dieses Vorhaben aufgab, dazu, eine Schule in Brand zu setzen, parkte daraufhin seinen Pkw an deren Rückseite und warf sodann den Brandsatz. Danach besteht zwischen seinen Handlungen kein solch unmittelbarer Zusammenhang im Sinne einer natürlichen Handlungs­einheit, dass sich sein gesamtes Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungs­weise für einen Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt und die einzelnen Betätigungs­akte durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind. So fasste der Angeklagte einen neuen Tatentschluss in Bezug auf ein anderes Tatobjekt. Überdies besteht durch die zwischenzeitliche Fahrt mit dem Pkw eine Zäsur zwischen den verschiedenen Handlungen. (Rn. 22)

Die Zuständigkeit des Oberlandes­gerichts Düsseldorf ergibt sich aus § 120 II 1 Nr. 3 Var. 5 Buchst. a GVG, § 7 I StPO. Die Tat zu 1. ist mit Blick auf das in Aussicht genommene Tatobjekt und die Veranlassung aus dem Ausland geeignet, die innere Sicherheit der Bundes­republik Deutschland zu beeinträchtigen. Diese Zuständigkeit erfasst auch den Tatvorwurf zu 2., da die Tatvorwürfe in einem engen persönlichen und delikts­spezifisch-sachlichen Zusammenhang stehen. (Rn. 23)

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