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BGH, Urteil vom 02.02.2022 – 2 StR 41/21: Zur Freiwilligkeit beim Rücktritt

Sachverhalt: 

Während einer Faschingsfeier kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen N und B, einer Begleiterin des A. Während N im Krankenwagen versorgt wurde, berichtete B dem A, dass N deren Mutter beleidigt habe und diese so geschubst, dass sie sich am Knie verletzt habe.

A beschloss den N zu Rechenschaft zu ziehen und mit einem mitgeführten Messer ein Denkzettel zu verpassen. N stieg gerade rückwärts aus dem Krankenwagen, als A von hinten an ihn herantrat und mit einem Springmesser mit 8,5cm Klingenlänge einen Messerstich in den Rücken versetzte. Während der vor Schmerz aufschreiende N sich umdrehte, stach A erneut zu und traf die linke Schulter des N, sowie mit zwei weiteren Stichen dessen Oberarm. Die Stiche zeigten zunächst keine Wirkung. A erschrak jedoch beim Blick in das schmerzverzerrte Gesicht des N. Obwohl ihm weitere Stiche möglich gewesen waren, wandte er sich ab und rannte davon. N wurde durch die Rettungs­kräfte versorgt und später aus dem Krankenhaus entlassen.

 

Aus den Gründen:

Es wurde zu Recht von einem strafbefreienden Rücktritt des A von dem versuchten Tötungs­delikt ausgegangen.

„Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB kann der Täter eines versuchten Delikts strafbefreiend vom Versuch zurücktreten, wenn er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Freiwilligkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist und er die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich hält, er also weder durch eine äußere Zwangs­lage daran gehindert noch durch seelischen Druck un­fähig geworden ist, die Tat zu vollbringen (…). Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das der Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen“ (Rn. 11).

Vorliegend war A weder durch objektive Umstände noch durch seine psychische Verfassung – Erschrecken über das eigene Verhalten – dran gehindert, seinen Angriff fortzusetzen. Insbesondere ist ein seelischer Druck, der A von der weiteren Tatausführung abhielt, nicht erkennbar. A hatte sich in Kenntnis der Möglichkeit, einen weiteren Stich zu setzen, entschieden, seinen Angriff zu beenden und zu fliehen.

Auch dass A sein außertatbestandliches Handlungs­ziel, hier ein Denkzettel, durch Messerstiche erreicht hat, schließt einen (freiwilligen) Rücktritt vom unbeendeten Versuch nicht aus.

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