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BGH, Urt. v. 04.08.2016 – 4 StR 523/15: Zur Täuschung durch Unterlassen beim Betrug (§ 263 StGB)

Sachverhalt:

Den Angeklagten B (Haupt­gesellschafter und Geschäftsführer) und A (Chief Financial Officer) der E. Rechts­anwalts­gesellschaft mbH wurde zur Last gelegt, bei der Anwerbung neuer Partner diese über eine bestehende Liquiditätskrise und drohende Zahlungs­un­fähigkeit der Gesellschaft getäuscht bzw. diesen Umstand bewusst verschwiegen zu haben. Den neuen Partnern sei durch die vertragsgemäße Zahlung eines Gesellschaft­erdarlehens i.H.v. jeweils 50.000 € eine schadensgleiche Vermögensgefährdung entstanden, die sich infolge der anschließenden Insolvenz der Gesellschaft in einem Vermögensschaden konkretisiert habe.

Das LG hatte B und A freigesprochen: Es habe weder eine ausdrückliche, noch eine konkludente Täuschung über die finanz­ielle Situation der E festgestellt werden können. Auch eine Täuschung durch Unterlassen komme nicht in Betracht, da keine Pflicht zur Aufklärung über die bestehenden Liquiditäts­schwierigkeiten der Gesellschaft bestanden habe.

 

Aus den Gründen:

Die Ausführungen zur Täuschung durch Unterlassen, durch das Verhalten von B und A bei Anbahnung oder Abschluss der Verträge mit den Bewerbern, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Ein Vertrags­partner sei zwar „nicht ohne weiteres verpflichtet, bei Vertragsschluss unaufgefordert alle für den anderen Teil irgendwie erheblichen Tatsachen zu offenbaren. Eine Ausnahme gilt nach der Rspr. jedoch außer bei bestehenden Vertrauens­verhältnissen auch für die Anbahnung besonderer, auf gegenseitigem Vertrauen beruhender Verbindungen, bei denen Treu und Glauben und die Verkehrs­sitte die Offenbarung der für die Entschließung des anderen Teils wichtigen Umstände gebieten. (…) Ein solcher Fall kann nach der jüngeren Rspr. etwa auch bei Vorliegen ‚besonderer Umstände im zwischenmenschlichen Bereich‘ gegeben sein.“ (Rn. 15)

Es liege nach den bisher getroffenen (noch lückenhaften) Feststellungen des LG nahe, dass es sich bei den „Partnerschafts­verträgen“ nicht um schlichte Austauschverträge mit gleichem Wissensstand der Vertrags­partner handelte, sondern dass die Bewerber Gesellschafter der Rechts­anwalts­gesellschaft werden sollten. „In diesem Falle griffe auch die Argumentation des LG, eine langjährige Geschäftsbeziehung sei hier ersichtlich nicht gegeben, zu kurz. Sie lässt (…) außer Acht, dass die Aufklärungs­pflicht auch bei der Anbahnung besonderer Verbindungen besteht. Eine solche besondere Verbindung, die auf einem gegenseitigen Vertrauens­verhältnis beruht und auf langjährige Zusammenarbeit angelegt ist, liegt im Regelfall nahe unter den Gesellschaft­ern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und erst recht unter den Gesellschaft­ern einer Rechts­anwalts­gesellschaft, die sich in dieser Form zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden haben.“ (Rn. 17)

„Sollten im Tatzeitraum die fristgemäße Auszahlung der erwirtschaft­eten Honoraransprüche und der vertraglich vereinbarten Entnahme aus dem Gesellschaft­erdarlehen nicht gesichert gewesen sein, könnte, sofern dieser Umstand bei den Bewerbungs­gesprächen nicht offenbart, aber die günstigen Aussichten der Gesellschaft hervorgehoben wurden, auch eine konkludente Täuschung der Bewerber vorliegen.“ (Rn. 21)

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