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BGH, Beschl. v. 29.01.2020 – 4 StR 564/19 (Zur Verdeckungs­absicht und bedingtem Tötungs­vorsatz)

Sachverhalt: Der Angekl. A verließ gegen 3.30 Uhr mit seinem Kfz ein Weinfest, das er zusammen mit seinem Freund B besucht hatte. Nach kurzer Fahrstrecke bemerkte er infolge Unaufmerksamkeit nicht rechtzeitig, dass der angetrunkene B auf der Fahrbahn lag und stieß trotz Bremsung mit einer Restgeschwindigkeit von 20–25 km/h gegen B. Obwohl A erkannt hatte, dass er einen Menschen angefahren hatte, der vor seinem Kfz lag, fuhr er erneut an und schob die Person mit der Front seines Kfzs langsam ca. 20 m weit bis an den Rand der Gegenfahrbahn. Durch den Schiebevorgang erlitt B schwerste Verletzungen. A setzte nun sein Kfz zurück und erkannte spätestens jetzt den B. Um sein vorangegangenes Tun zu verschleiern und unerkannt zu bleiben, entfernte sich A vom Unfallort, ohne sich um B zu kümmern, der kurze Zeit später von anderen Verkehrs­teilnehmern gefunden wurde. A hatte zu seiner Motivation für das Verlassen der Unfallstelle lediglich angegeben, er habe unter Schock gestanden und einfach schnell nach Hause gewollt, auch weil er getrunken habe. Bedingten Tötungs­vorsatz und Verdeckungs­absicht hat das LG aus dem Nachtat­verhalten des A gefolgert.

Das LG hat A u.a. wegen versuchten (Verdeckungs-)Mordes durch Unterlassen verurteilt.

Aus den Gründen:

Dies hält rechtlicher Nach­prüfung nicht stand, da die Verdeckungs­absicht nicht hinreichend belegt ist.

Verdeckungs­absicht und bedingter Tötungs­vorsatz schließen einander nicht grundsätzlich aus, sondern können auch zusammen bestehen. „Dies kann der Fall sein, wenn die maßgebliche Handlung vom Täter vorgenommen oder eine gebotene Handlung von ihm unterlassen wird, um eine vorangegangene Straftat zu verdecken, dieser Erfolg nach seinem Vorstellungs­bild aber auch ohne den Eintritt des für möglich gehaltenen und billigend in Kauf genommenen Todeserfolges bewirkt wird, der bedingt vorsätzlich herbeigeführte Tod des Opfers mithin keine verdeckungs­spezifische Funktion aufweist. So ist Verdeckungs­absicht etwa anzunehmen, wenn der Täter durch die Vornahme seiner Verdeckunghandlung vorsätzlich eine Person zu Tode bringt, von der ihm – wie er weiß – überhaupt keine Entdeckung droht.“ (Rn. 6)

„Geht der Täter dagegen davon aus, dass nur der Tod des Opfers zur Vortatverdeckung führt, können Verdeckungs­absicht und lediglich bedingter Tötungs­vorsatz nicht nebeneinander angenommen werden. Hiervon wird in der Regel auszugehen sein, wenn das Opfer den Täter kennt und er deshalb befürchtet, durch dessen Angaben überführt zu werden, falls es überlebt.“ (Rn. 6)

Letzteres hat das LG nicht rechts­fehlerfrei ausgeschlossen. Aus einem Chatverkehr nach der Tat ist vielmehr eher darauf zu schließen, dass A befürchtete, B habe ihn erkannt und werde ihn anzeigen. Dieser Umstand würde aber der Verdeckungs­absicht entgegenstehen.

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