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BGH, Beschl. v 8.03.2017 – 1 StR 466/16: Zur Täuschung durch Unter­lassen beim Betrug

Amtlicher Leitsatz:

Vorangegangenes gefährliches Tun (Ingerenz) kann eine Aufklärungs­pflicht nicht nur bei Vor­verhalten mit objektivem Täuschungs­charakter begründen. Werden durch das Vor­verhalten diejenigen vermögensrelevanten Umstände verändert, deren Fortbestehen Grundlage weiterer Vermögensverfügungen des Getäuschten ist, kann dies ebenfalls eine Aufklärungs­pflicht begründen, die bei Nichterfüllung zu einer Täuschung durch Unter­lassen führt.

 Sachverhalt:

Die Angeklagten waren Geschäftsführer von Fonds­gesellschaften, an denen Privatanleger entweder in der Form einer stillen Beteiligung oder als Kommanditisten beteiligt waren. In den Prospekten, die den Anlegern vorgelegt wurden, wurden Anlageformen zur Altersvorsorge und zum langfristigen Vermögensaufbau beworben. Die versprochenen Renditen sollten durch Investitionen in verschiedene Geschäftsfelder, u.a. den Erwerb von Immobilien und Firmenbeteiligungen, realisiert werden. Die Angeklagten begingen Untreuehandlungen zulasten der Fonds­gesellschaften und ihrer Anleger, informierten die Anleger jedoch nicht über die eingetretenen Vermögensnachteile.

Aus den Gründen:

Dadurch, dass die Angeklagten die Anleger nicht über die den Gesellschaft­ervermögen zugefügten erheblichen Vermögensnachteile aufgeklärt haben, haben sie sich wegen Betrugs durch Unter­lassen zulasten der Anleger strafbar gemacht.

Eine Strafbarkeit wegen Betrugs durch Unter­lassen setzt eine Pflicht zur Aufklärung anderer über vermögensrelevante Tatsachen voraus. Eine solche Pflicht kann in den gesellschafts­vertraglichen Beziehungen begründet sein und kommt sowohl bei bestehenden Vertrauens­verhältnissen als auch bei der Anbahnung besonderer, auf gegenseitigem Vertrauen beruhender Verbindungen in Betracht, bei denen Treu und Glauben und die Verkehrs­sitte die Offenbarung der für die Entschließung des anderen Teils wichtiger Umstände gebieten. Dies ist insbesondere bei Gesellschafts­verhältnissen und bei Verträgen über Vermögensangelegenheiten der Fall. (Rn. 20)

Ein besonderes Vertrauens­verhältnis zwischen den Anlegern und den Gesellschaften ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem Konzept des sog. „blind pools“. Den Anlegern war nicht bekannt, in welcher konkreten Weise die Anlagemittel eingesetzt werden würden. Sie waren daher in besonderer Weise darauf angewiesen und normativ berechtigt, darauf zu vertrauen, dass die angelegten Gelder lediglich im Rahmen der in den Prospekten benannten Zwecke eingesetzt würden. (Rn. 21)

Als natürliche Personen standen die Angeklagten zwar in keiner unmittelbaren (gesellschafts)vertraglichen Beziehung zu den Anlegern. Ihre Garantenstellung und ihre daraus folgende Aufklärungs­pflicht gegenüber den Anlegern findet ihre Grundlage aber in der tatsächlichen Über­nahme der Stellung als Vertretungs­organ der Gesellschaften selbst. Treten während der Beteiligung Änderungen ein, die vermögensbezogen für die Anlageentscheidung maßgeblich waren, müssen die Anleger darüber informiert werden. Zu diesen Umständen gehören jedenfalls Schädigungen der Gesellschafts­vermögen, die dazu führen, dass die Beteiligung an der Fonds­gesellschaft nicht mehr die bei Aufnahme der Beteiligung versprochenen Zwecke erreichen kann. (Rn. 22, 23)

Soweit die Angeklagten nicht als Vertretungs­organ gehandelt haben, gründet sich ihre Aufklärungs­pflicht vorliegend auf ihr vorangegangenes gefährdendes Tun (Ingerenz) durch Untreuetaten zum Nachteil der Gesellschaften und ihrer Anleger. (Rn. 25)

Ein pflichtwidriges Vor­verhalten führt allerdings nur dann zu einer Garantenstellung aus Ingerenz, wenn dadurch die naheliegende Gefahr des Eintritts eines konkreten tatbestandsmäßigen Erfolgs verursacht worden ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass das pflichtbegründende Vor­verhalten „den Charakter einer objektiven Täuschung in sich trägt“. (Rn. 29)

Nach der Rechts­prechung des Bundes­gerichtshofs täuschen die Betreiber eines Anlage­modells die (späteren) Anleger, wenn in den Emissionsprospekten eine sichere Anlage mit erheblichen Renditen in Aussicht gestellt wird, die Betreiber aber von Anfang an nicht vorhaben, diese Ziele zu erreichen, sondern stattdessen entschlossen sind, dem Fondsvermögen eigennützig Kapital zu entziehen. Entschließen sich die Betreiber erst später dazu, Kapital zu entziehen und heben sie damit die bisherigen Zwecke der Anlageform auf, stellt sich für die betroffenen Anleger keine andere Situation dar. (Rn. 29, 30)

Die Aufklärung der Anleger war den Angeklagten auch zumutbar. „Ist mit der Vornahme der rechtlich gebotenen Handlung die Gefahr der Aufdeckung eigener Straftaten des Garanten verbunden, steht dies der Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens gerade wegen des eigenen rechts­widrigen Verhaltens im Vorfeld regelmäßig nicht entgegen. Auch aus dem Verfassungs­recht lässt sich nicht ableiten, dass Selbstbegünstigung als Ausfluss persönlicher Freiheit stets straflos oder darüber hinausgehend sogar erlaubt sein müsse. Ebenso wenig schließt das Verfassungs­recht aus, Selbstbegünstigungs­handlungen unter Strafe zu stellen, wenn durch diese strafrechtlich geschützte Rechts­güter Dritter beeinträchtigt werden.“ (Rn. 36)

 

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