Sachverhalt:
Der Angekl. A trennte sich von B und zog aus der gemeinsamen Wohnung im 1. OG eines zweigeschossigen Altbaus aus und wohnte fortan in der darüber liegenden Dachgeschosswohnung. Insgesamt beherbergte das Wohnhaus 6 Mietparteien. Nach der Trennung kam es wiederholt zu Drohungen und aggressivem Verhalten des A ggü. B wegen des Umgangs mit den 2 gemeinsamen Kindern, wobei die Wohnungstür der B beschädigt wurde. Gegenüber einem Bekannten äußerte A „er raste aus, wenn er die Kinder, die er über alles liebe, nicht haben könne; dann dürfe sie keiner haben und er bringe sie alle (…) um“. Am Tattag zur Mittagszeit stellte der alkoholisierte A mehrere Kisten mit Kleidung vor der Wohnungstür der B ab und legte einen Brand. Dabei nahm er die Tötung der B und der Kinder zumindest billigend in Kauf und rechnete mit der Ausbreitung des Feuers auf das Wohnhaus und angrenzende Häuser. Er hatte sich im Vorfeld der Tat nicht darum bemüht, in Erfahrung zu bringen, wo sich die anderen Bewohner des Hauses aufhielten. Dass jene sich zur Tatzeit sämtlich außer Haus befanden, wusste er nicht. B, die die Kinder im Wohnzimmer schlafen gelegt hatte, hörte nur Minuten nach Wahrnehmung der Aktivitäten des A den Feuermelder im Flur, bemerkte dichten schwarzen Rauch, welcher in ihre Wohnung zog und setzte einen Notruf ab. Das Betreten des Wohnhauses war wegen des sich schnell ausbreitenden Feuers nicht mehr möglich. Innerhalb von Minuten schlugen Flammen aus der Hauseingangstür. Das Feuer griff auch auf Nebengebäude über. B ließ zunächst ihre beiden Kinder aus dem Wohnzimmerfenster hinab in eine von Helfern ausgebreitete Decke fallen, bevor sie selbst sprang. Über eine Feuerleiter verfügte ihre Wohnung nicht; das war auch A bekannt. B und ihre beiden Kinder wurden mit Verdacht auf Rauchgasintoxikation in eine Klinik gebracht.
Das LG hat A wegen versuchten Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung verurteilt. Der Qualifikationstatbestand der besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306b II Nr. 1 StGB sei nicht erfüllt, weil noch keine konkrete Lebensgefahr für die Bewohner bestanden habe. Ebenso wenig habe A das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt.
Aus den Gründen:
Zur besonders schweren Brandstiftung gem. § 306b II Nr. 1 StGB:
Eine vollendete besonders schwere Brandstiftung liege, wie vom LG angenommen, mangels konkreter Todesgefahr nicht vor: „Wann eine solche Gefahr gegeben ist, entzieht sich exakter wissenschaftlicher Umschreibung (…). Die Tathandlung muss aber jedenfalls über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut geführt haben; in dieser Situation muss – was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (…). Allein der Umstand, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden, genügt noch nicht zur Annahme einer konkreten Gefahr (…). Umgekehrt wird die Annahme einer Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, weil sich der Gefährdete noch in Sicherheit bringen konnte. Erforderlich ist ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, dass ‚das noch einmal gut gegangen sei‘.“ (Rn. 12)
Dies war hier nicht der Fall: B ist durch den Feuermelder frühzeitig auf den Brand aufmerksam geworden und konnte rechtzeitig mit ihren Kinder das Haus verlassen. Der dichte schwarze Rauch hatte noch nicht das Wohnzimmer erreicht, in dem die Kinder vorher schliefen. Auch aus dem Sprung in die von Helfern ausgebreitete Decke ergibt sich keine konkrete Gefahr. „Zwar lag der Brandherd vor der Außentür der Wohnung, so dass den Insassen bei einer Fortentwicklung der Flammen in der Wohnung der Fluchtweg abgeschnitten gewesen wäre. Doch kam es darauf wegen der von einem Zeugen organisierten Rettung nicht an.“ (Rn. 13)
Ein Versuch des § 306b II Nr. 1 StGB sei aber zu bejahen: „[A] rechnete damit, dass B und die beiden gemeinsamen Kinder sich in der Wohnung (…) befinden und darin zu Tode kommen könnten. Den Eintritt der Todesgefahr nahm er billigend in Kauf; dies liegt (…) angesichts des rechtsfehlerfrei festgestellten bedingten Tötungsvorsatzes auf der Hand.“ (Rn. 14) In Tateinheit mit dem Versuch der besonders schweren Brandstiftung steht die vollendete schwere Brandstiftung nach § 306a I Nr. 1, II StGB.
Zum Mordmerkmal der Heimtücke:
Neben der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln habe auch eine heimtückische Tötung nahegelegen: Das LG hatte bereits die Arglosigkeit verneint, „denn nach den Geschehnissen innerhalb der Zeit nach der Trennung von [A] lebte B in der ständigen Angst vor neuerlichen tätlichen Angriffen.“ (Rn. 20) „Damit ist das LG zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung bei Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist danach, dass der Täter das sich keines erheblichen Angriffs versehende, mithin arglose Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und es dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren.“ (Rn. 21)
Bei der Verneinung der Arglosigkeit habe das LG aber nicht berücksichtigt, „dass B die beiden gemeinsamen Kinder schlafen gelegt hatte. Sie ging also ersichtlich – auch als schutzbereite Person – nicht davon aus, dass ein Anschlag des [A] auf das Leben der Kinder und auf ihr eigenes unmittelbar bevorstand. Zwar mag A angenommen haben, dass die Kinder – dem ihm bekannten früher üblichen Tagesablauf entsprechend – erst [später] zu Bett gelegt werden. Er wusste jedoch, dass [B] mit den beiden gemeinsamen Kindern sich in der durch die (…) beschädigte Tür nur notdürftig geschützten Wohnung aufhielt.“ (Rn. 22)