Sachverhalt:
Die Angekl. (A) führte eine Beziehung mit dem späteren Tatopfer (O). Diese war von andauerndem Streit geprägt. O übte mehrfach niederschwellig Gewalt aus, wenn er sich von A provoziert fühlte. In der Tatnacht kam es ebenfalls zu einem Streit. Zunächst verließ O die Wohnung, später kehrte er zurück, nachdem ihm A geschrieben hatte, sie habe einen neuen Liebhaber. In der Wohnküche versetze O der A einen leichten Schlag mit der flachen Hand in das Gesicht. Schlug ihr das Mobiltelefon aus der Hand und warf es zu Boden. Dann ergriff er den Unterkiefer der A und drückte sie in eine Küchenecke. Daraufhin ergriff die A ein Küchenmesser mit einer 16 cm langen Klinge und holte in Richtung des Oberarms des O aus. Dieser erlitt Schnittverletzungen. O wandte sich ab. Die A versetze, obwohl sie erkannte, dass von O kein weiterer Angriff drohte, dem O einen tödlichen Stich unterhalb der linken Achselhöhle.
Das LG verneinte die Notwehr gem. § 32 StGB. Ebenso einen minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 Alt. 1StGB. Letzteres sieht der BGH jedoch als rechtsfehlerhaft an.
Aus den Gründen:
Trotz des mit § 223 I Alt 1 StGB übereinstimmenden Wortlauts „Mißhandlung“ setzt die Strafzumessungsregel des § 213 Alt. 1 StGB nicht das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer Körperverletzung voraus. Ein Verletzungserfolg muss nicht vorliegen. Auch seelische Misshandlungen können darunterfallen. „Entscheidend ist demnach nicht, in welchem Umfang das körperliche Wohlbefinden des Täters des Totschlags beeinträchtigt ist, sondern, ob die diesem zugefügten Misshandlungen nach ihrem Gewicht und den Umständen des Einzelfalls geeignet sind, die ʺJähtat als verständliche Reaktionʺ auf das provozierende Verhalten des an-schließend getöteten Opfers erscheinen zu lassen“ (Rn. 6.).
„Ob der vorausgehende Angriff durch das Opfer ausreichendes Gewicht hat, hat das Tatgericht mit Blick auf den für Totschlagsdelikte durch § 213 StGB eröffneten Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe (statt von fünf Jahren bis zu fünfzehn Jahren; § 212 Abs. 1 StGB) und auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller dafür maßgebenden Umstände, namentlich unter Berücksichtigung der bisherigen Täter-Opfer-Beziehung und der damit verbundenen Motivationsgenese, zu beurteilen“ (Rn. 7). Die Anwendung von § 213 Alt. 1 StGB kann auch dann geboten sein, wenn die Handlung für sich keine „schwere Unbill“ ist, aber der „Tropfen“ ist, der das „Fass zum Überlaufen bring“. Nur geringfügige Eingriffe in die körperliche oder seelische Unversehrtheit des Täters haben regelmäßig kein ausreichendes Gewicht. „Diesen Maßstab hat das Landgericht in seiner Würdigung verkannt“ (Rn. 8). Das Gewicht der Misshandlungen ist nicht allein durch den Verletzungserfolg zu bemessen, sondern auch nach der Intensität der Angriffshandlungen. Hier hatte insbesondere die Fixierung des Unterkiefers einiges Gewicht.