Sachverhalt
1. Der Angeklagte lauerte der 66-jährigen Geschädigten vor deren Haus auf. Als diese die Haustür öffnete, drängte er sie sofort nach innen und schlug ihr unvermittelt mit der Faust ins Gesicht, so dass sie mehrere Zähne verlor und zu Boden fiel. Sodann umklammerte er ihren Hals mit seiner Ellenbeuge. Dann fügte er dem Opfer – nunmehr dessen Tod billigend in Kauf nehmend – mit einem Messer einen acht Zentimeter langen, stark blutenden Schnitt am Hals zu. (Rn. 3)
2. Nachdem der Angeklagte in die Wohnung des Ehepaares eingedrungen war, verletzte er zunächst den Geschädigten G. mit einer „Anreißnadel“, verbrachte ihn sodann kurzzeitig ins Schlaf- und hiernach mit dessen Frau ins Wohnzimmer. Dort zwang er beide, sich auf das Sofa zu setzen. Unter dem Eindruck der Misshandlungen und fortwährender Drohungen händigten die Geschädigten ihm sodann Bargeld und EC-Karten aus und ließen es zu, dass der Angeklagte weitere Wertgegenstände an sich nahm. (Rn. 7)
Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge, mit besonders schwerem Raub, mit gefährlicher Körperverletzung und mit versuchtem Computerbetrug (1) sowie wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit vorsätzlicher Körperverletzung, mit erpresserischem Menschenraub, mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, mit versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und mit versuchtem Computerbetrug (2) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
(Rn. 1)
Aus den Gründen (Rn. 4–6)
Zu 1. Zwar ist von einem heimtückischen Vorgehen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB grundsätzlich nur dann auszugehen, wenn das Opfer bereits bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs arg- und wehrlos ist. Dies war hier nicht mehr der Fall, weil das Opfer nach dem Faustschlag mit weiteren Angriffen des Angeklagten rechnen musste. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung ein Opfer auch dann noch arg- und wehrlos sein, wenn ein zunächst mit Verletzungsvorsatz geführter Angriff so schnell in einen solchen mit Tötungsvorsatz umschlägt, dass ihm keine Zeit zu effektiver Gegenwehr oder Flucht verbleibt. So verhält es sich hier. Die Geschädigte fand sich nach dem Faustschlag am Boden liegend im Klammergriff des Angeklagten wieder. Ihr Versuch, sich in dieser Situation dem Zugriff des ihr körperlich deutlich überlegenen Angeklagten zu entwinden, blieb vergeblich. Auch sonst bestand für sie nach dem Beginn des körperlichen Übergriffs keine Möglichkeit, sich gegen den nachfolgenden Messerangriff erfolgreich zur Wehr zu setzen. (Rn. 4)
Zu 2. In einem sogenannten Zwei-Personen-Verhältnis setzt ein Bemächtigen im Sinne des § 239a Abs. 1 StGB voraus, dass der Täter die physische Herrschaftsgewalt über das Tatopfer gewonnen und dadurch eine stabile Bemächtigungslage geschaffen hat, welche er für eine Erpressung ausnutzt oder ausnutzen will. Dabei muss der stabilisierten Bemächtigungslage mit Blick auf die erstrebte Erpressung eine eigenständige Bedeutung zukommen, indem sich aus ihr eine Drucksituation für das Tatopfer ergibt, die über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinausgeht. An dem erforderlichen funktionalen Zusammenhang fehlt es indes, wenn sich der Täter des Opfers durch Nötigungsmittel bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtigten Erpressung dienen, wenn also Bemächtigungs- und Nötigungsmittel zusammenfallen. So verhält es sich hier. Eine stabile Bemächtigungslage ist damit nicht festgestellt. Die bloße Fortsetzung der Misshandlungen und Drohungen in einem anderen Raum der Wohnung genügt dafür nicht. Dass sich das Geschehen insgesamt über einen längeren Zeitraum hinzog, hat das Landgericht nicht festgestellt. (Rn. 6)