Sachverhalt (Rz. 2 – 4):
Der Angeklagte befand sich in einer stationären Alkoholentwöhnungstherapie und litt an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit vorrangig emotional instabilen und histrionischen Anteilen. Obwohl er zur Tatzeit nüchtern war, entschied er sich aus Wut und Frust auf seine Mitpatienten, 14 teilweise scharfkantige Schottersteine von einer Brücke auf einen vorbeifahrenden Pkw zu werfen. Er handelte in der Absicht, das Fahrzeugdach zu beschädigen, ohne jedoch Menschen zu verletzen oder zu gefährden, weshalb er keine großen Steine nahm. Der Geschädigte fuhr mit einer Geschwindigkeit von ca. 70 bis 80 km/
Aus den Gründen:
Die Staatsanwaltschaft hat beanstandet, dass der Angeklagte nicht auch wegen versuchten Mordes verurteilt worden ist. (Rz. 1)
„Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und er ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten.“ (Rz. 7)
Die Prüfung zur Unterscheidung erfordert eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände, insbesondere der Persönlichkeit des Täters, seiner psychischen Verfassung während der Tat, seiner Motive und der konkreten Angriffsweise. Die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, basierend auf den dem Täter bekannten Umständen, ist ein wichtiger Indikator für das kognitive und voluntative Vorsatzelement. Die Gefährlichkeit und die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts allein reichen nicht aus, um zu bestimmen, ob ein Täter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Die spezifischen Umstände des Einzelfalls spielen eine entscheidende Rolle, auch bei hochgefährlichen Handlungen. (Rz. 8)
Die Verneinung des bedingten Tötungsvorsatzes durch das Landgericht begegnet gemessen hieran keinen rechtlichen Bedenken, da das objektive Tatgeschehen und die Ausführungen des Sachverständigen zur fehlenden Gefährlichkeit der verwendeten Steine berücksichtigt wurden. (Rz. 9 – 12)
Zudem ist die Verneinung des bedingten Körperverletzungsvorsatz und eines Gefährdungsvorsatzes des Angeklagten in Bezug auf die Gefährdung von Leib und Leben der Insassen im Rahmen des § 315b I Nr. 3 i.V.m. § 315 III Nr. 1a aus denselben Gründen rechtsfehlerfrei. Bereits die Vollendung des Grundtatbestands des § 315b I Nr. 3 scheidet aus. (Rz. 13 f.)
Der Qualifikationstatbestand des § 315 III Nr. 1a ist nur verwirklicht, „wenn es dem Täter darauf ankommt, einen Unglücksfall dadurch herbeizuführen, dass sich die von ihm verursachte konkrete Gefahr verwirklicht“. Die Absicht kann dabei zwar auch auf einen Sachschaden gerichtet sein, jedoch ist es erforderlich, dass sich nach den Vorstellungen des Täters durch die Tathandlung eine verkehrsspezifische Gefahr verwirklicht. § 315 III Nr. 1a knüpft nämlich an den Grundtatbestand (hier: § 315b I) an. § 315b I muss nach der Rechtsprechung restriktiv ausgelegt werden, sodass unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben oder Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden können. Mithin muss für die Verwirklichung des § 315 III Nr. 1a auch die Absicht der Verwirklichung einer von ihm herbeigeführten verkehrsspezifischen Gefahr vorliegen. (Rz. 15 – 17)
„Eine verkehrsspezifische Gefahr setzt voraus, dass die eingetretene konkrete Gefahr – jedenfalls auch – auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist. Dies ist der Fall, wenn eine der in § 315b Abs. 1 StGB bezeichneten Tathandlungen über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Verkehrssituation geführt hat, in der eines der genannten Individualrechtsgüter im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht.“ Auch ist es ausreichend, wenn – wie hier – die Tathandlung unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung führt. Dafür ist jedoch notwendig, dass „der Fortbewegung des von dem Eingriff betroffenen Fahrzeugs in einer Weise entgegengewirkt wird, dass gerade infolge der Dynamik des Straßenverkehrs eine konkrete Gefahr für die Fahrzeuginsassen oder das Fahrzeug entsteht“. (Rz. 18)
Vorliegend ist die reine Absicht der Beschädigung des Dachs nicht ausreichend, da hier nicht auf die Verwirklichung einer verkehrsspezifischen Gefahr abgezielt wird. Die Dynamik des Fahrzeugs wirkt sich gerade nicht auf den Schadenseintritt aus, sodass er sich nicht von einer Sachbeschädigung eines abgestellten Fahrzeugs unterscheidet. (Rz. 19 – 20)
Zudem scheidet auch § 315b I Nr. 3, III i.V.m § 315 III Nr. 1b (Ermöglichung einer anderen Straftat) aus: Hierfür muss die vorgenommene Handlung das Mittel zur Ermöglichung, jedoch nicht die Tat selbst sein. Das Fallenlassen der Steine ist indes zugleich die Schädigungshandlung im Rahmen des § 303. (Rz. 21)