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BGH, Urt. v. 24.04.2025 – 5 StR 729/24: Zum Beweisverwertungs­verbot nach § 136a StPO

Sachverhalt (Rn. 13 ff.)

Der Angeklagte erstach seine Ex-Freundin L. Unklar war dabei, ob Tötungs­vorsatz vorlag.
Kurz darauf zog sich der Angeklagte eigene Verletzungen bei einem Autounfall zu.
Im Krankenhaus erhielt er eine geringe Dosis Beruhigungs­mittel sowie ein mildes Schmerzmittel. Die diensthabende Ärztin teilte den Polizeibeamten am selben Abend mit, dass der Angeklagte zwar orientiert sei, es aber den allgemeinen Grundsatz gebe, dass ein Patient mit einem Schädel-Hirn-Trauma nach einer Bewusstlosigkeit als nicht vernehmungs- und einwilligungs­fähig gelte.
Die Beamten suchten daraufhin den Angeklagten auf und eröffneten ihm, dass er verdächtigt werde, L getötet zu haben. Einer der Beamten, W, belehrte ihn ordnungs­gemäß als Beschuldigten, teilte ihm aber mit, dass angesichts seines Gesundheits­zustands von einer Vernehmung abgesehen werde und lediglich Maßnahmen der Spurensicherung und eine rechts­medizinische Unter­suchung durchgeführt würden.
Der Angeklagte erklärte, die Belehr­ungen verstanden zu haben. Auf Nachfrage teilte er mit, dass er grundsätzlich an der Aufklärung mitwirken und Angaben machen wolle.
Im Laufe der Spurensicherung und der rechts­medizinischen Unter­suchung machte der Angeklagte ungefragt Angaben zum Tatgeschehen und zum Sachverhalt.
In der Hauptverhandlung wurde W als Zeuge vernommen. Ihm wurden Fragen zu den Angaben des Angeklagten gestellt, die dieser im Krankenhaus gemacht hatte.

Aus den Gründen

Fraglich ist, ob die Angaben des Beschuldigten dem Beweisverwertungs­verbot des § 136a StPO unter­fielen.

„Ein Verwertungs­verbot aus § 136a Abs. 3 Satz 2, § 163a Abs. 3 Satz 2 StPO scheidet schon deshalb aus, weil die Vorschrift aufgrund ihres Rechts­charakters als Norm des Straf­verfahrensrechts und ihrer Stellung im Gesetz nur Aussagen erfasst, die der Beschuldigte in einer Vernehmung mach. Eine Vernehmung im Sinne der Strafprozess­ordnung liegt indes nur vor, wenn der Vernehmende der Auskunftsperson […] in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihr Auskunft (eine „Aussage“) verlangt. An letzterem fehlt es hier: Der Polizeibeamte W hat den Angeklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er ihn mit Rücksicht auf seinen Gesundheits­zustand nicht vernehmen werde. Die in Rede stehenden Aussagen hat der Angeklagte dementsprechend im Rahmen der Spurensicherung und der rechts­medizinischen Unter­suchung „ungefragt“ getätigt.“ (Rn. 19)

„Ein Beweisverwertungs­verbot folgt auch nicht aus dem […] Gebot der Selbstbelastungs­freiheit. Das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung bedeutet, dass in einem Straf­verfahren niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Über­führung aktiv beizutragen. Unter diesem Gesichtspunkt kann ein Verwertungs­verbot für Aussagen gegeben sein, die der Beschuldigte in einer vernehmungs­ähnlichen Situation macht. Vernehmungs­ähnliche Situationen sind indes dadurch gekennzeichnet, dass die Strafverfolgungs­behörden private oder verdeckt ermittelnde Personen veranlassen, den Beschuldigten gegen seinen Willen zu einer Selbstbelastung zu drängen und Äußerungen zum Tatgeschehen zu entlocken. Eine Verletzung der Selbstbelastungs­freiheit kommt in diesen Fällen insbesondere dann in Betracht, wenn der Beschuldigte sich zuvor auf sein Schwei­gerecht berufen hat und die Ermittlungs­behörden durch das heimliche oder täuschende Ausfragen versuchen, dem Beschuldigten Angaben zu entlocken, die sie in einer Vernehmung nicht erlangen konnten. Hiermit ist der entscheidende Fall nicht zu vergleichen.“ Insbesondere hatte der Beschuldigte sich nicht auf sein Schwei­gerecht berufen. „Weder macht die Eröffnung des Tatvorwurfs mit Belehr­ung die „Gesamtsituation“ zu einer (unzulässigen) heimlichen oder täuschenden Befragung zur Umgehung des Schwei­gerechts noch kann von einem Zwang die Rede sein, gegen sich selbst auszusagen. Bei den in Rede stehenden Angaben, die der Angeklagte ungefragt gemacht hat, handelte es sich vielmehr um Spontanäußerungen, die uneingeschränkt der Verwertung unter­liegen.“ (Rn. 21 f.)

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