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BGH, Beschl. v. 12.12.2023 – 3 StR 422/23: Zum unmittelbaren Ansetzen, § 22 StGB

Leitsätze

  1. Zwischen schwerem Wohnungs­einbruchdiebstahl und schwerem Bandendiebstahl besteht Tateinheit. (Rn. 8)
  2. Der Beginn eines Wohnungs­einbruchdiebstahls und damit ein unmittelbares Ansetzen zur Tat i.S. von § 22 StGB kann bereits dann vorliegen, wenn der (Mit-)Täter den Zaun des Grundstücks übersteigt, um in ein zuvor ausgewähltes Einfamilienhaus einzubrechen. (Rn. 10 – 13) 

Sachverhalt (Rn. 1–7)

Der Angeklagte R. einigte sich mit dem Mitangeklagten A. und zwei anderen, künftig eine noch unbestimmte Anzahl von Einbruchdiebstählen in private Wohnhäuser zu begehen. Der Angeklagte verfügte als einziger über eine Fahr­erlaubnis, fungierte als Fahrer und schlug zwei ihm anderweitig bereits bekannte Gebäude als Tatobjekte vor. Die beiden gesondert Verfolgten führten die – teils nicht vollendeten – Einbruchdiebstähle aus und wurden in ihrer Entschlossenheit durch den die Fahrten begleitenden Mitangeklagten bestärkt.

Am 9. März 2020 wollte die Vierer­gruppe erneut eine Tat begehen. Der Angeklagte fuhr sie zu einem Einfamilienhaus. Die beiden gesondert Verfolgten kletterten über den 2,2 Meter hohen Metallzaun auf das Grundstück, gingen zur Terrassentür und schauten ins Haus. Da der Bewohner sie bemerkt hatte, verständigte er die Polizei. Als die Eindringlinge die sich rasch nähernden Polizeiwagen bemerkten, flüchteten sie.

Das LG hat den Angeklagten R. wegen schweren Raubes und zweier Fälle des versuchten schweren Wohnungs­einbruchdiebstahls in Tateinheit mit versuchtem schweren Bandendiebstahl, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt. Der Mitangeklagte A. ist wegen Beihilfe zum schweren Raub und zweier Fälle der Beihilfe zum versuchten schweren Wohnungs­einbruchdiebstahl und zum versuchten schweren Bandendiebstahl sowie in einem der Fälle zur Bedrohung verurteilt worden. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. 

Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen werden durch die Beweiswürdigung belegt. Diese tragen den Schuldspruch mit Ausnahme der tateinheitlichen Verurteilung wegen Bedrohung, der hier die versuchte Nötigung vorgeht.

Aus den Gründen (Rn. 10–13)

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte insoweit wegen versuchten schweren Einbruchdiebstahls in Tateinheit mit versuchtem schweren Bandendiebstahl strafbar gemacht. Entgegen der in der Antragsschrift des Generalbundes­anwalts dargelegten Wertung ist ein unmittelbares Ansetzen im Sinne des § 22 StGB gegeben.

Ein unmittelbares Ansetzen liegt nicht erst dann vor, wenn der Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands verwirklicht. In den Bereich des Versuchs einbezogen ist ein für sich gesehen noch nicht tatbestandsmäßiges Handeln, soweit es nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals räumlich und zeitlich unmittelbar vorgelagert ist oder nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der 

Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Ein wesentliches Abgrenzungs­kriterium ist das aus der Sicht des Täters erreichte Maß konkreter Gefährdung des geschützten Rechts­guts. Die Dichte des Tatplans kann für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium ebenfalls Bedeutung gewinnen. So sind Handlungen, die keinen tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden, nicht als der Annahme unmittelbaren Ansetzens entgegenstehende Zwischenakte anzusehen. Mittäter treten 

einheitlich in das Versuchsstadium ein, sobald auch nur einer von ihnen zu der tatbestandlichen Ausführungs­handlung ansetzt.

Hieran gemessen ist den Feststellungen ein unmittelbares Ansetzen zu entnehmen. Nach der Vorstellung der Täter wollten sie in das Einfamilienhaus einbrechen, nachdem sie dazu den umgebenden Zaun überklettert und die Terrassentür erreicht hatten. Es ging ihnen nicht etwa darum, zunächst das Haus näher auszukundschaften, ob es ein lohnenswertes Objekt darstellt, sondern sie hatten sich nach einigem Umherfahren bereits entschlossen, das Gebäude anzugehen und daraus Sachen zu entwenden. Das noch erforderliche Aufbrechen der Tür stellte hier demnach keinen eigenständigen Zwischenakt dar, sondern stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wegnahme von Gegenständen, die sich nach der Planung sofort anschließen sollte. Angesichts des beabsichtigten fortlaufenden Geschehens war zu diesem Zeitpunkt das geschützte Rechts­gut bereits gefährdet. Hierfür ist letztlich nicht entscheidend, ob stets bereits beim Über­steigen eines Gartenzauns, dem – wie hier – eine gewahrsamssichernde Funktion zukommt, ein unmittelbares Ansetzen anzunehmen ist, wenn der Täter in der Absicht handelt, in ein dahinterliegendes Haus einzubrechen. Dass die gesondert Verfolgten beim Herantreten an die Terrassentür keine Brecheisen („Kuhfüße“) mit sich führten, sondern lediglich einen Schraubendreher, steht einem unmittelbaren Ansetzen nicht entgegen. So ergibt sich aus den Feststellungen, dass die Täter das Werkzeug bei sich hatten, um gewaltsam in das Haus einzudringen. Mithin gingen sie ersichtlich davon aus, die Tür mittels des Schraubendrehers öffnen zu können. Dass ihr Vorhaben möglicherweise hätte scheitern können, ist dem Versuch immanent und ändert nichts an der aus ihrer Perspektive direkt bevorstehenden Tatbestandsverwirklichung.

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