BGH, Beschl. v. 14.01.2025 – 5 StR 583/ 24: Zum unmittelbaren Ansetzen beim Betrug
Sachverhalt
Die Angeklagten riefen in unterschiedlichen Konstellationen in arbeitsteiligem Zusammenwirken zwischen 80 und 95 Jahre alte Geschädigte an. Als vermeintliche Bankmitarbeiter wollten sie die Angerufenen insbesondere davon überzeugen, dass Falschgeld an diese ausgezahlt worden sei. Dadurch sollten die Geschädigten zur Übergabe von Bargeld an einen „Abholer“ bewegt werden. Zu Beginn der Gespräche gab der jeweilige Anrufer vor, es habe eine Auslandsüberweisung vom Konto der Geschädigten gegeben, die er stoppen oder stornieren könne. Zur Verstärkung der beabsichtigten Fehlvorstellung der Angerufenen übernahm teilweise in einigen Fällen ein Mittäter als vermeintlicher Polizeibeamter oder Staatsanwalt zeitweise das Gespräch.
In einigen Fällen legten die Angeklagten auf, bevor sie das Falschgeld überhaupt thematisieren konnten.
Aus den Gründen
Die Angeklagten haben sich des versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betruges oder der Beihilfe hierzu schuldig gemacht. (Rn. 9)
„Versucht ist eine Tat, wenn der Täter nach seiner Vorstellung unmittelbar zu ihr ansetzt. Er muss dafür aus seiner Sicht die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschreiten. (Rn. 10) […] Beim Betrug wird die Grenze zum Versuch in der Regel spätestens dann überschritten, wenn der Täter mit der tatbestandlichen Täuschung das erste Merkmal des Straftatbestandes erfüllt. Eine solche tatbestandliche Täuschung liegt aber noch nicht in jeder irreführenden Einwirkung auf das Vorstellungsbild des Getäuschten, sondern erst in derjenigen, die den Getäuschten irrtumsbedingt zu der schädigenden Vermögensverfügung bestimmt und damit für den Eintritt des Schadens ursächlich wird.“ (Rn. 11)
„Doch können schon vorbereitende, noch nicht tatbestandliche Täuschungen einen versuchten Betrug begründen, wenn der Täter mit ihnen eine Handlung vornimmt, die nach dem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll. Sieht der Tatplan dabei eine Täuschung in mehreren Teilschritten vor, bei der vorbereitende, vertrauensstiftende Handlungen erst im weiteren Verlauf in die tatbestandliche Täuschung einmünden sollen, so stehen der Annahme unmittelbaren Ansetzens bereits durch die erste irreführende Einwirkung auf das Opfer solche Zwischenakte nicht entgegen, die keinen tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden. Ob der Täter zu der in diesem Sinne „entscheidenden“ Rechtsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, hängt von seiner Vorstellung über das „unmittelbare Einmünden“ seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Wesentliches Abgrenzungskriterium ist das aus der Sicht des Täters erreichte Maß konkreter Gefährdung des Vermögens seines Opfers.“ (Rn. 12)
In den vorgenannten Fällen war die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschritten, „weil die jeweils vorgenommenen Täuschungshandlungen die angestrebten Vermögensverschiebungen nicht lediglich vorbereiten, sondern unmittelbar ohne wesentliche Zwischenschritte in sie einmünden sollten.“ (Rn. 13)
Soweit ein unmittelbares Ansetzen abgelehnt wurde, weil ‚der jeweilige Anrufer nicht einmal dazu gekommen [sei], der angerufenen Person zu berichten, dass an sie angeblich Falschgeld ausgezahlt worden sein könne‘, so erweist sich dieser (späte) Anknüpfungspunkt für den Versuchsbeginn vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen als unzutreffend. Sollte sich das Landgericht an der Annahme eines früheren Versuchsbeginns mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung gehindert gesehen haben, wonach zeitlich abgesetzte, nur dem Erschleichen des allgemeinen Vertrauens des Opfers dienende Handlungen beim Betrug in aller Regel noch keinen Versuchsbeginn bedeuten, hat es nicht bedacht, dass den Entscheidungen jeweils mehraktige Geschehen zugrunde lagen. Bei derartigen gestreckten Täuschungen sollen nach der Tätervorstellung die einzelnen Täuschungshandlungen mit zeitlichen Zäsuren an verschiedenen Tagen – teils über Wochen oder Monate hinweg – ausgeführt werden. Vorliegend bildeten die Taten demgegenüber jeweils eine ‚zusammenhängende telefonische Kommunikation an einem einzigen Tag‘.“ (Rn. 18)