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BGH, Beschl. v. 23.04.2025 – 4 StR 103/25: Zum Rücktritt vom Versuch

Leitsatz: 
Unter­bleiben Feststellungen dazu, ob der Versuch fehlgeschlagen, unbeendet oder beendet war, ist dies rechts­fehlerhaft, da bei einem nicht fernliegenden unbeendeten Versuch bereits das freiwillige Unter­lassen weiterer Ausführungs­handlungen den strafbefreienden Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB begründen kann. Maßgeblich ist das Vorstellungs­bild des Täters im Zeitpunkt nach Abschluss der letzten Ausführungs­handlung (Rücktrittshorizont). 

Sachverhalt (Rn. 3): 
Der Angeklagte, der infolge einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis erheblich in seiner Steuerungs­fähigkeit eingeschränkt war, griff in zwei Fällen grundlos Passanten an. In einem Fall (II.6) warf er zweimal einen faustgroßen Stein in Richtung eines auf einem Waldweg spazierenden Ehepaars, das unverletzt blieb, da es sich nach dem ersten Wurf rasch entfernte. In einem weiteren Fall (II.7) trat er mit dem beschuhten Fuß in Richtung des Kopfes eines vorbeigehenden Passanten, traf diesen jedoch lediglich am Unter­arm, ohne Schmerzen zu verursachen. Als der Zeuge ihn darauf ansprach, reagierte der Angeklagte belanglos und setzte seinen Weg fort. 

Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen Körperverletzung, Bedrohung, versuchter gefährlicher Körperverletzung (Fall II.6), versuchter Körperverletzung (Fall II.7) sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung. Es wurde eine Gesamtfreiheits­strafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt. Darüber hinaus ordnete das Landgericht die Unter­bringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) an. 

Aus den Gründen: 
Die Verurteilung kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht habe nicht erörtert, ob der Angeklagte jeweils strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten sei, und die hierzu erforderlichen Feststellungen unter­lassen (Rn. 2). 

“Nach den Feststellungen bleibt offen, ob die jeweiligen Körperverletzungs­versuche fehlgeschlagen, unbeendet oder beendet waren. Dies durfte indes nicht dahinstehen, da im Fall eines hier nicht fernliegenden unbeendeten Versuchs gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB bereits das freiwillige Abstandnehmen von weiteren Ausführungs­handlungen als Rücktrittsleistung für eine Strafbefreiung ausreichend gewesen wäre.” (Rn. 4) 

Zudem liege es “nicht auf der Hand, dass jeweils ein fehlgeschlagener Versuch, der einen Rücktritt ausschließt, anzunehmen wäre, weil der Angeklagte davon ausgegangen ist, die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Verfügung stehenden Mitteln objektiv nicht mehr vollenden zu können.” Es kommt insoweit maßgeblich auf das Vorstellungs­bild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungs­handlung (Rücktrittshorizont) an. Im Fall II.7 hätte sich die Strafkammer ausdrücklich mit dem Vorstellungs­bild des Angeklagten nach dem Tritt befassen müssen, da der Zeuge ihn unmittelbar darauf ansprach, ohne dass der Angeklagte weitere Angriffe unter­nahm. Gleiches gilt für Fall II.6, in dem der Angeklagte nach zwei Steinwürfen keine Verfolgung der Passanten aufnahm oder weitere Würfe tätigte. (Rn. 4) 

Der aufgezeigte Rechts­fehler führte zur Aufhebung der Verurteilung in beiden Fällen sowie der Gesamtfreiheits­strafe von einem Jahr und sechs Monaten. Zudem sei der Maßregelausspruch (§ 63 StGB) aufzuheben, da der Wille, die Tat nicht zur Vollendung kommen zu lassen, die Gefährlichkeits­bewertung beeinflussen könne. (Rn. 5) 

Das neue Tatgericht muss insbesondere prüfen, ob ein strafbefreiender Rücktritt vorliegt und im Rahmen der Gefährlichkeits­prognose für die Unter­bringung nach § 63 StGB darlegen, dass eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für künftige erhebliche rechts­widrige Taten infolge seines fortdauernden psychischen Zustands besteht (Rn. 8). 

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