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BGH, Beschl. v. 01.11.2024 – 6 StR 459/24: Zum Nötigungs­mittel beim Raub

Sachverhalt (Rn. 1–5)

Nach den Feststellungen des Landgerichts trafen die Angeklagten an einer Straßenbahnhaltestelle auf den zur Tatzeit 15-jährigen Zeugen B. Sie hielten ihn an und durchsuchten seine Taschen nach werthaltigen Gegenständen. B. ließ dies geschehen, weil er aufgrund des Alters­unter­schiedes und früherer Vorkommnisse Angst vor ihnen hatte. Die Angeklagten fanden in seiner Bauchtasche Bargeld in Höhe von 20 Euro, nahmen es an sich, um es für sich zu behalten, und entfernten sich vom Tatort. 

An einem anderen Tag forderten die Angeklagten den Zeugen G. während einer Fahrt mit der Straßenbahn auf, den Zeugen R. anzurufen. R. traf kurz darauf an einer Haltestelle ein, an der die Angeklagten und G. ausgestiegen waren. Der Angeklagte M. nahm G. und R. sodann ihre Bauchtaschen weg und durchsuchte sie. In der Bauchtasche von G. fand er dessen Kopfhörer im Wert von 110 Euro, die er an sich nahm, um sie für sich zu behalten. Anschließend forderten die Angeklagten. die Zeugen G. und R. auf, sie zu der Wohnung des Zeugen D. zu bringen, bei dem sie Betäubungs­mittel „erlangen“ wollten. Dieser Aufforderung leisteten G. und R. Folge „unter dem Eindruck des vorangegangenen gewalttätigen Geschehens“ und „aufgrund dessen, dass ihre Taschen einbehalten wurden“. 

Nachdem sie an der Wohnungs­tür D. s geklopft hatten, öffnete dieser die Tür, weil er einen Bekannten erwartete. Als er seinen Irrtum erkannte, versuchte er, die Tür wieder zu schließen, was ihm aber nicht gelang, weil die Angeklagten und ihre Begleiter die Tür aufdrückten und die Wohnung betraten. Sodann nahmen die Angeklagten auf dem Wohnzimmertisch liegendes Bargeld, eine Spielekonsole und Betäubungs­mittel an sich, verstauten die Gegenstände in einem ebenfalls in der Wohnung aufgefundenen Rucksack und entfernten sich mit ihrer Beute. Nach dem Verlassen der Wohnung erhielten G. und R. ihre Bauchtaschen zurück. 

Das LG hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes, wegen Raubes, wegen Raubes in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Nötigung und wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.  

Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten M. hat in dem aus der Entscheidungs­formel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 

Aus den Gründen (Rn. 6–11)

Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Raubes und wegen Raubes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Nötigung nicht. 

Es wird nicht belegt, dass die Angeklagten dem Zeugen B. das Bargeld durch ein Nötigungs­mittel im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB wegnahmen. Den Urteilsgründen lässt sich weder der Einsatz von Gewalt gegen eine Person noch die Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben entnehmen. 

Gewalt setzt eine unmittelbar oder mittelbar gegen den Körper des Opfers gerichtete Ein­wirkung voraus. Erforderlich ist, dass der Einsatz auch nur geringer Körperkraft durch den Täter eine körperliche Zwangs­wirkung beim Opfer zur Folge hat. Lediglich psychisch vermittelter Zwang reicht dagegen nicht aus.  

Den Feststellungen, die auf die nicht näher beschriebene Mitteilung beschränkt sind, dass die Angeklagten den Zeugen B. „durchsuchten“, lässt sich eine unmittelbare oder mittelbare Ein­wirkung auf den Körper des Zeugen B. nicht zweifelsfrei entnehmen. 

Drohen bedeutet seelisches Einwirken auf den Bedrohten in Gestalt einer auf Angst und Furcht abzielenden Ankündigung eines Übels. Das Übel muss also irgendwie vom Täter in Aussicht gestellt werden; es genügt nicht, wenn es von einem anderen nur erwartet wird. Auf die äußere Form, in der die Drohung zum Ausdruck gebracht wird, kommt es jedoch nicht an, so dass auch schlüssige Handlungen ausreichen können, sofern nur das angekündigte Übel genügend erkennbar ist. Auch frühere Drohungen können fortwirkende Droh­wirkung entfalten. Deshalb 

kann auch das Ausnutzen einer „Drohkulisse“ ausreichen, wenn durch eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Täters eine finale Verknüpfung mit dem Nötigungs­erfolg hergestellt und dies vom Opfer als Drohung empfunden wird. In diese Bewertung sind neben den Erklärungen des Täters namentlich auch das Tatbild früherer Zwangs­lagen sowie deren Ähnlichkeit mit der aktuellen Tatsituation, die Art des zuvor angedrohten Übels und der zeitliche Abstand zueinander einzustellen. 

Hier hat das Landgericht lediglich festgestellt, dass der Zeuge B. die Angeklagten gewähren ließ, weil er „wegen des Alters­unter­schiedes und früherer Vorkommnisse“ mit den Angeklagten „Angst“ vor ihnen hatte, nicht jedoch eine, etwa auch schlüssige Erklärung der Angeklagten, mit der sie B. in Aussicht stellten, ihm im Falle eines Widerstandes zumindest körperliches Leid zuzufügen. Gleich­ermaßen fehlt es an Feststellungen zu „früheren Vorkommnissen“, welche die Annahme stützen könnten, dass die Angeklagten eine „Drohkulisse“ ausnutzen. 

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