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BGH, Urt. v. 07.08.2024 – 1 StR 430/23: Zu Exzesshandlungen im Rahmen von § 227 StGB

Sachverhalt (Rn. 2–7)

P, Y und I griffen gemeinsam mit anderen Personen den A überfallartig an, der einen tödlichen Stich ins Herz erlitt. Wer diesen Stich ausgeführt hat, war nicht mehr sicher zu ermitteln. Vorausgegangen waren Streitigkeiten zwischen einigen der Angeklagten und A wegen persönlicher Angelegenheiten. Die Angeklagten hatten A für „vogelfrei erklärt“ und vereinbart, ihn körperlich zu verletzen. P und Y hatten vor dem Angriff wahrgenommen, dass andere Beteiligte Schlagstöcke mitführten, jedoch nicht, dass Messer mitgeführt wurden. P versetzte A während des Angriffs selbst mindestens einen Faustschlag ins Gesicht. Y stand nur neben dem Geschehen und versicherte aufgrund seiner Präsenz jederzeit eingreifen zu können.

Aus den Gründen

Die Strafbarkeit eines Mittäters wegen Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 I StGB setzt nicht voraus, dass er selbst eine unmittelbar zum Tod des Opfers führende Verletzungs­handlung ausführt; es reicht aus, dass Mittäter aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft einen Beitrag zum Verletzungs­geschehen leistete. Ist der Todeserfolg durch einen über das gemeinsame Wollen hinausgehenden und deshalb als Exzesshandlung zu qualifizierenden Gewaltakt verursacht worden, kommt eine Zurechnung des Todes als qualifizierender Erfolg gem. § 227 I StGB dann in Betracht, wenn den gemeinschaft­lich verübten Gewalthandlungen, die der todesverursachenden Exzesshandlung vorausgegangen sind, bereits die spezifische Gefahr eines tödlichen Ausgangs anhaftet. Das kann der Fall sein, wenn das Opfer durch die mittäterschaft­lich begangene Körperverletzung in eine Lage gerät, in der es nachfolgenden Ein­wirkungen eines gewaltbereiten Tatbeteiligten schutz­los ausgeliefert ist oder dem vom gemeinsamen Willen aller Mittäter getragenen Angriff nach den ihn kennzeichnenden konkreten tatsächlichen Gegebenheiten die naheliegende Möglichkeit einer tödlichen Eskalation innewohnt. Bei einem heimtückischer Über­fall in großer Über­zahl kann diese hohe Gefahr auch ein Messereinsatz begründen. Ein spezifischer Gefahrenzusammenhang kann insoweit in objektiver Hinsicht nur angenommen werden, wenn sich aus Art und Weise des tätlichen Angriffs einzelfallbezogen konkrete tatsächliche Umstände ergeben, welche die Möglichkeit einer tödlichen Eskalation nahelegen. (Rn. 10)

Der Messereinsatz ist P zuzurechnen. Zwar war der Messereinsatz für die übrigen Tatbeteiligten ein Exzess, weil dieser nicht einmal vom bedingten Vorsatz umfasst war. Der gemeinsame Tatplan war jedoch darauf ausgerichtet, den Geschädigten in großer Über­zahl aus dem Hinterhalt anzugreifen. Zudem nahm P den Schlagstock war und rechnete mit dessen Einsatz, was er billigte. Die Täter hatten keine genauen Abreden zum Angriffshergang getroffen und handelten aus unter­schiedlichen Motiven, sodass die erhöhte Gefahr eines Exzesses, also auch eines Messereinsatzes, bestand. (Rn. 11)

In Bezug auf Y gilt oben Gesagtes. (Rn. 16)                           

I dahingegen hatte keine Kenntnis vom Mitführen des Schlagstocks, sodass ihm der Exzess nicht zuzurechnen ist. Er hatte lediglich die Vorstellung, dass dem Opfer „eine Abreibung verpasst werden sollte“. Dagegen stellt der tödliche Messereinsatz einen Einsatz gänzlich anderer Art und Beschaffenheit dar. (Rn. 21)

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