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BGH, Beschl. v. 08.05.2025 – 4 StR 52/24: Zum Vorsatz bei § 224 I Nr. 5 StGB

Leitsatz 

Frontalkollision statt „nur“ streifender Kollision ist eine unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf.  

Sachverhalt (Rn. 2–8) 

Der Angeklagte fuhr betrunken Auto. Nachdem er bereits einen Unfall und eine Beinahe-Kollision verursacht hat und dies erkannte, fuhr er weiter. 
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte aufgrund des Unfalls und der Beinahe-Kollision die Möglichkeit, in den Gegenverkehr zu geraten und dadurch einen Unfall zu verursachen, als nicht ganz fernliegend erkannt. Dabei nahm er auch eine körperliche Verletzung anderer Verkehrs­teilnehmer mit in seine Vorstellung auf. Zwar war ihm dies unerwünscht, weil er dadurch seine Flucht möglicherweise nicht würde fortsetzen können. Er nahm das Risiko eines Unfalls einschließlich Verletzungen anderer Verkehrs­teilnehmer jedoch billigend in Kauf, um sein mit der Unfallflucht bezwecktes Ziel, sich der Strafverfolgung zu entziehen, zu erreichen. Dabei vertraute er – die ihm tatsächlich verbliebenen Fähigkeiten rauschbedingt überschätzend – ernsthaft darauf, dass er trotz seiner erkannten Beeinträchtigung in der Lage sein wird, einen folgenschweren Frontalunfall im Begegnungs­verkehr zu vermeiden, dies allein schon mit Bedacht darauf, das eigene Leben zu erhalten. Dieses ernsthafte Vertrauen gewann der Angeklagte aus dem Umstand, dass es trotz der langen Fahrt im fahruntüchtigen Zustand keine Frontalkollision gab. 
Als ihm jedoch S in einem Sprinter entgegenkam, nahm er die Straßenkurven aufgrund seiner Alkoholisierung nicht wahr, lenkte sein Auto nicht zur Seite und fuhr auf die Gegenfahrbahn, wo er mit S kollidierte. S erlitt diverse Verletzungen. 

Aus den Gründen 

„Eine Körperverletzungs­handlung erfüllt die Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, wenn sie unter den konkreten Umständen des Einzelfalls aufgrund der Art ihrer Ein­wirkung auf das Tatopfer dazu geeignet ist, dessen Leben in Gefahr zu bringen. Maßgeblich ist danach die Schädlichkeit der Ein­wirkung auf den Körper des Opfers im konkreten Einzelfall. Nicht erforderlich ist, dass es infolge dieser Handlung auch tatsächlich zum Eintritt einer konkreten Lebens­gefahr kommt. […] Für den Vorsatz im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bedeutet dies, dass der wenigstens mit einem bedingten Körperverletzungs­vorsatz handelnde Täter auch diejenigen Umstände erkennen muss (vgl. § 16 Abs. 1 StGB), aus denen sich in der konkreten Situation die allgemeine Gefährlichkeit seines Tuns für das Leben des Opfers ergibt. Nicht erforderlich ist, dass er diese von ihm erkannten Umstände auch als lebens­gefährdend bewertet. […] Jedoch muss die Körperverletzungs­handlung auch nach der Vorstellung des Täters auf mehr als eine Körperverletzung, nämlich auf Lebens­gefährdung „angelegt“ gewesen sein.“ (Rn. 13) 

Der Tatvorsatz wurde rechts­fehlerfrei festgestellt. (Rn. 15) „Dass der Angeklagte insoweit keine Frontalkollision, sondern „nur“ streifende Kollisionen vor Augen hatte, stellt die Zurechnung des konkret eingetretenen – relativ niederschwelligen – Taterfolges zu dem festgestellten Körperverletzungs­vorsatz […] nicht in Frage. […] [Es handelt sich] nur um eine unwesentliche Abweichung des vorgestellten vom tatsächlichen Kausalverlauf.“ (Rn. 16) 

„Die Annahme des subjektiven Tatbestands des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB wird nicht durch die im Zusammenhang mit der Verneinung eines bedingten Tötungs­vorsatzes getroffene Feststellung in Frage gestellt […]. Denn für § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB kommt es nur auf die Kenntnis der Umstände an, die die Tathandlung, die zu dem für möglich gehaltenen Körperverletzungs­erfolg geführt hat – hier das Fahren in den Gegenverkehr ‒, als potentiell lebens­gefährlich qualifizieren. Diese war bei dem Angeklagten vorhanden. Dass er im Vertrauen auf hinzutretende Umstände annahm, eine möglicherweise auch tödliche Frontalkollision werde gleich­wohl ausbleiben und es bei einer bloßen Eskalations­gefahr verbleiben, ändert daran nichts.“ (Rn. 17) 

Der Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist hingegen nicht verwirklicht. (Rn. 18) 

„Eine gefährliche Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass die körperliche Misshandlung durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel erfolgt. Wird ein Kraftfahrzeug als Werkzeug eingesetzt, muss die Verletzung bereits durch den Anstoß selbst ausgelöst und auf einen Kontakt zwischen Fahrzeug und Körper zurückzuführen sein.“ Feststellungen hierzu hat das Landgericht jedoch nicht getroffen. (Rn. 19) 

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