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BGH, Beschl. v. 15.07.2025 – 4 StR 236/25: Zum Beinaheunfall iSd § 315d I Nr. 3, II StGB

Leitsatz 

Der Vorsatz iSd § 315d I Nr. 3, II StGB muss sich auch auf die Umstände des Beinaheunfalls beziehen. 

Sachverhalt (Rn. 3–7) 

Der Angeklagte fuhr mit 0,8 ‰ Alkohol im Blut in einem Audi RS5 auf Landstraßen und wollte „durch Ausreizung des Potentials seines Fahrzeugs und Zurschaustellung seines fahrerischen Könnens [der Beifahrerin] …imponieren“. Dabei beschleunigte er auf bis zu 231 km/h, schnitt mehrfach Kurven und nahm entgegenkommenden Verkehr in Kauf. In einer unübersichtlichen Rechts­kurve fuhr er mit 164 km/h, kollidierte erst seitlich mit einem Fahrzeug, danach mit zwei weiteren Fahrzeugen. Beim Frontalzusammenstoß mit einem der Fahrzeuge starben dessen zwei Insassen; mehrere andere Personen, dar­unter die Beifahrerin, wurden verletzt, der Angeklagte selbst schwer. 

Aus den Gründen 

Das LG verurteilte den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit zweifacher Todesfolge in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und Gefährdung des Straßenverkehrs zu 3 Jahren 6 Monaten Freiheits­strafe sowie Fahrverbot. (Rn. 1) 
Der BGH hob dieses Urteil auf, weil das LG den für § 315d StGB erforderlichen konkreten Gefährdungs­vorsatz nicht hinreichend festgestellt oder begründet hatte. (Rn. 8) 
„Ein bedingter Gefährdungs­vorsatz liegt vor, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet.“ (Rn. 9) 

„Die Vorstellung des Täters muss sich nicht auf alle Einzelheiten des weiteren Ablaufs beziehen. Vielmehr reicht es in den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Regel aus, dass sich der Täter aufgrund seiner Fahrweise und der gegebenen Verhältnisse eine kritische Verkehrs­situation vorstellt, die in ihren wesentlichen gefahrbegründenden Umständen (z. B. Nichteinhaltenkönnen der rechten Spur in anstehenden Kurven bei Gegenverkehr, Querverkehr an Kreuzungen, haltende Fahrzeug etc.) dem tatsächlich eingetretenen Beinaheunfall entspricht. Dabei können die Kenntnis des Täters von der Fahrtstrecke und den sich dabei ergebenden Gefahrenstellen, sein vorangegangenes Fahr­verhalten, Erfahrungen des Täters aus dem bisherigen Fahrtverlauf, aber auch die Nähe des drohenden Unfalls Indizien für eine hinreichend konkrete Vorstellung des Täters von der drohenden Gefahr und deren Billigung sein.“ (Rn. 10) 

Diese Feststellungen wurden bereits defizitär getroffen. (Rn. 12) Ferner fehlt auch die erforderliche Beweiswürdigung zu einem Gefährdungs­vorsatz. (Rn. 13)  

Für die neue Hauptverhandlung wird auf Folgendes hingewiesen: 

„Zwischen der Tathandlung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB und der eingetretenen konkreten Gefahr im Sinne von § 315d Abs. 2 StGB (‚Beinaheunfall‘) muss ein – vom Gefährdungs­vorsatz umfasster – innerer Zusammenhang bestehen. Das Verbot des Alleinrennens soll die Gefährdung anderer Verkehrs­teilnehmer durch die Aus­wirkungen jenes Fahr­verhaltens verhindern, das ein Kraftfahrer mit gesteigerter Risikobereitschaft und unter Missachtung der Fahr- und Verkehrs­sicherheit an den Tag legt, weil er ‚objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt’.“ Die Verletzung des Rechts­fahrgebots wird hier – angesichts des gleich­gelagerten Fahr­verhaltens anderer Verkehrs­teilnehmer – allein noch keine renntypische Gefahr begründen. (Rn. 17)  

„Eine tatbestands­spezifische Gefahr für die geschützten Rechts­güter setzt allerdings nicht notwendig voraus, dass bei pflichtgemäßem Verhalten ein „Beinaheunfall“ ausgeblieben wäre […]. Eine derartige Gefahr kann vielmehr auch (schon) zu bejahen sein, wenn sie infolge des Alleinrennens ein gesteigertes Maß aufweist. Der Gefahrerfolg in seiner jeweiligen Gestalt muss durch die Tathandlung lediglich mitverursacht werden. Er kann daher auch in einem konkret drohenden (oder eingetretenen) höheren Schadensumfang liegen. Denn hierin drückt sich die geschwindigkeits­bedingt ‚gesteigerte Gefährdungs- und Zerstörungs­kraft‘ als renntypische Folge aus. Ein Mitverschulden anderer Verkehrs­teilnehmer schließt dabei den inneren Zusammenhang nicht aus.“ (Rn. 18) 

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