BGH, Beschl. v. 27.05.2025 – 6 StR 294/ 24: Zur konkludenten Täuschung bei § 263 I StGB
Leitsatz
In der Geltendmachung einer Forderung kann eine konkludente Täuschung über Tatsachen liegen, wenn mit dem Einfordern der Leistung ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbasis hergestellt oder das Vorliegen eines den Anspruch begründenden Sachverhalts behauptet wird.
Sachverhalt (Rn. 3–6)
Der Angekl. führte einen ambulanten Pflegedienst. Er schloss mehrere Versorgungsverträge gem. § 72 SGB XI für den Bereich der ambulanten Pflege mit mehreren Kranken- und Pflegekassen ab. Danach war der Pflegedienst zur Erbringung von Pflegeleistungen nach § 36 SGB XI verpflichtet. In dem Versorgungsvertrag nach § 72 SGBI XI sowie nach dem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI ist bestimmt, dass die Pflegebedürftigen unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft zu pflegen sind. Er rechnete in 700 Fällen seine Pflegeleistungen bzw. die Pflegeleistungen seiner Mitarbeiter mit den Pflege- und Krankenkassen ab, obwohl sie über keine entsprechenden Qualifikationen verfügten. Ihm wurden insgesamt 3.324.313,62 € gezahlt.
Aus den Gründen
Das Landgericht hatte wegen Betruges verurteilt. Dem ist zuzustimmen. (Rn. 7 f.)
„Eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB kann auch konkludent erfolgen. Der einer ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung beizumessende Inhalt ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der Empfängerhorizont maßgeblich und auf die Erwartungen der Beteiligten abzustellen, die ihrerseits durch die normativen Bezüge geprägt werden, in denen die Erklärung steht.“ (Rn. 10)
„In der Geltendmachung einer Forderung kann eine konkludente Täuschung über Tatsachen liegen, wenn mit dem Einfordern der Leistung ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbasis hergestellt oder das Vorliegen eines den Anspruch begründenden Sachverhalts behauptet wird. Im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Forderung erwartet der Rechtsverkehr in erster Linie eine wahrheitsgemäße Darstellung, soweit die Tatsache wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs ist und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne Weiteres überprüfen kann. Liegen keine Besonderheiten vor, kann das Tatgericht regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen. In diesem Sinne konkludent täuscht ein Täter, der gegenüber einem Leistungsträger tatsächlich erbrachte Leistungen abrechnet, ohne hierzu berechtigt zu sein.“ (Rn. 11)
Es liegt auch ein Irrtum vor. Bei juristischen Personen und Behörden, „die als solche nicht Subjekt eines Irrtums sein können, kommt es auf das Vorstellungsbild derjenigen natürlichen Person an, die die Vermögensverfügung getroffen hat.“ (Rn. 14)
Zudem ist ein Vermögensschaden gegeben. „Ein solcher tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts des Vermögens des Verfügenden führt.“ (Rn. 15 f.)