DE / EN

BGH, Urt. v. 12.03.2025 – 2 StR 100/24: Zum Vermögensschaden beim Abrechnungs­betrug

Sachverhalt (Rn. 2–8) 

Der Angekl. betrieb eine Teststation zur Durchführung von PoC-Anti­gentests zur Feststellung einer Corona-Infektion. Er führte insgesamt 56.141 Testungen durch, die er in Über­einstimmung mit den Vorgaben der jeweils gültigen TestV ordnungs­gemäß dokumentiert und abgerechnet hat. Bezüglich 21.440 abgerechneten Tests fehlte eine hinreichende Dokumentation. 10 % davon waren gar nicht durchgeführt, sondern der Abrechnung bewusst hinzugefügt worden, um eine höhere Vergütung zu erzielen. 
Der Angekl. meldete seine Testzahlen der Kassenärztlichen Vereinigung zum Zwecke der Abrechnung. Ihm war bewusst, dass er zur Abrechnung der nicht durchgeführten Tests sowie der nicht ordnungs­gemäß dokumentierten Tests nicht berechtigt war. 

Aus den Gründen 

Das Landgericht hatte den Angekl. Wegen (versuchten) Betruges verurteilt. (Rn. 1)  

Der Schuldspruch ist rechtlich nicht zu beanstanden. (Rn. 10) 

„Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaft­licher Betrachtungs­weise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaft­lichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswertes unmittelbar vor und nach der Verfügung. In den für die Schadensbetrachtung anzustellenden Vermögensvergleich muss eine Vermögensmehrung beim Verfügenden einbezogen werden, wenn der Vermögenszuwachs unmittelbar durch die Verfügung erfolgt ist. Unmittelbar bedeutet, dass die Vermögensverfügung selbst Vorteil und Nachteil zugleich hervorbringt.“ (Rn. 12) Ein Schaden ist in Höhe der Vergütung entstanden, die die Kassenärztliche Vereinigung für die nicht ordnungs­gemäß dokumentierten Testungen geleistet hat. „Entsprechende Auszahlungen sind nicht durch andere Vermögenswerte ausgeglichen worden, da jene in der irrtumsbedingten Annahme geleistet wurden, von einer Verbindlichkeit frei zu werden, die in Wirklichkeit mangels einer hinreichenden Dokumentation der Testungen nicht bestand.“ (Rn. 13) 

„In Fällen, in denen der Zahlungs­empfänger eine Leistung vorab erbringt und anschließend im Rahmen der Abrechnung über das Vorliegen tatsächlicher Anspruchs­voraussetzungen täuscht, ist grundsätzlich der gesamte ausgezahlte Betrag als Betrugsschaden anzusehen. Diese […] streng formale Betrachtungs­weise trägt dem Umstand Rechnung, dass für die wirtschaft­liche Bewertung eines Zahlungs­vorgangs die rechtlichen Rahmenbedingungen maßgeblich sind, und spiegelt lediglich wider, dass erst die Anerkennung durch die Rechts­ordnung einer Forderung in einem Rechts­staat wirtschaft­lichen Wert verleiht.“ (Rn. 14) Dabei umfasst der Vermögensschaden nicht die Vergütung für eine abgrenzbar vollkommen ordnungs­gemäße Leistung. (Rn. 16) 

Die Strafzumessung weist indessen Rechts­fehler zugunsten des Angeklagten auf. (Rn. 15) 

Die Strafkammer hat nämlich für sämtliche Taten strafmildernd berücksichtigt, „der Angeklagte habe nicht ausschließlich aus Gier, sondern zunächst aus der Motivation heraus gehandelt, die vorgeleisteten Kosten decken zu können, später jedenfalls auch, damit keine Auffälligkeiten entstünden. Dabei ist schon nicht ersichtlich, welche Auffälligkeiten im Falle einer ordnungs­gemäßen Abrechnung hätten entstehen können, zumal die Zahl der abgerechneten Tests nach den Feststellungen ohnehin stark schwankte. Vor allem stellt die Tatbegehung zur Verdeckung vorangegangener Straftaten keinen Strafmilderungs­grund dar, weil dem Täter sonst zuvor begangene Straftaten zugutegehalten würden.“ (Rn. 17) 

Es liegen auch Rechts­fehler zulasten des Angeklagten betreffend des Strafausspruchs und der Einziehungs­entscheidungen vor. (Rn. 18) So wurden die Beträge, die nicht ausgezahlt wurden, bei der Höhe des Vermögensschadens sowie der Verzicht des Angeklagten auf die Rückgabe eingezogener Elektrogeräte nicht strafmildernd berücksichtigt. (Rn. 19 f.) Diese falsche Berechnung des Vermögensschadens und damit des der Einziehung unter­liegenden Betrags wirkt sich auch auf die Einziehungs­entscheidung aus. (Rn. 22) 

Zum Volltext