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OLG Nürnberg, Beschl. v. 04.07.2013 – 2 OLG Ss 113/13: Beschuldigtenbelehr­ung, § 136 StPO

Wird der einer Unfallflucht verdächtige Fahrzeughalter bei einer Befragung nicht als Beschuldigter belehrt, sind seine Angaben gegenüber einem Polizeibeamten unverwertbar.

Bei einem Spurwechsel durch ein Kfz, dessen Halter A war, wurde ein anderer Pkw beschädigt. Der Fahrer fuhr davon. Gegenüber dem Polizeibeamte P, der den A als Halter des Kfz zu Hause aufsuchte, räumte A ein, der Fahrer gewesen zu sein. Vor dieser Befragung belehrte P den A nicht als Beschuldigten. A ließ sich in der Hauptverhandlung nicht zur Tat ein. Sein Verteidiger widersprach der Verwertung der Aussage des Zeugen P.

Das AG verurteilte den Fahrzeughalter A wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. § 142 I 1 StGB zu einer Geldstrafe und zu einem zweimonatigen Fahrverbot. Auf die Revision des A hob das OLG die Entscheidung des AG wegen der Verletzung des sich aus den §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2 StPO ergebenden Beweisverwertungs­verbotes auf und verwies die Sache zurück. Dazu führte es aus:

„Grundsätzlich ist es  (...) der pflichtgemäßen Beurteilung der Strafverfolgungs­behörde überlassen, ob sie gegen jemanden einen solchen Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie ihn als Beschuldigten verfolgt. Wenn aber ausreichende Gründe dafür vorliegen, einen einer Straftat Verdächtigen als Beschuldigten zu verfolgen, darf dieser nicht aus sachfremden Erwägungen in die Rolle eines Zeugen gedrängt werden (BGHSt 10, 8). Dabei vernimmt etwa der Polizeibeamte, der am Tatort oder in seiner Umgebung Personen fragt, ob sie ein bestimmtes Geschehen beobachtet haben, keine Beschuldigten, mag er auch hoffen, bei seiner Tätigkeit neben geeigneten Zeugen den Täter zu finden. Bedeutsam ist die Stärke des Tatverdachts, den der Polizeibeamte gegenüber dem Befragten hegt. Hierbei hat der Beamte einen Beurteilungs­spielraum, den er freilich nicht mit dem Ziel missbrauchen darf, den Zeitpunkt der Belehr­ung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglichst weit hinauszuschieben (BGHSt 38, 214).“

Nach Ansicht des OLG hat sich der Tatverdacht im vorliegenden Fall nach der Ermittlung des Angeklagten als Fahrzeughalter bereits auf ihn verdichtet, „auch wenn grundsätzlich auch andere Personen als Nutzer des Fahrzeugs des Angeklagten in Betracht kommen (…) Aus der Verletzung der Belehr­ungs­pflicht ergibt sich ein Beweisverwertungs­verbot (BGHSt 38, 214).“

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