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BGH, Beschl. v. 18.03.2015 – 2 StR 656/13: Qualifizierte Belehr­ung bei Verwertung richterlicher Vernehmungen, § 252 StPO

Eine Vernehmung des Ermittlungs­richters über die Aussage eines in der Hauptverhandlung gem. § 52 StPO schweigenden Zeugen ist wegen § 252 StPO nur zulässig, wenn dieser vor seiner richterlichen Vernehmung auch über diese Möglichkeit der Verwertung belehrt worden ist (qualifizierte Belehr­ung).

 Sachverhalt:

Die Tochter eines wegen Mordes an seiner Ehefrau Angekl. war richterlich vernommen worden und hatte hier nach Belehr­ung über ihr Recht aus § 52 StPO ausgesagt. Nicht belehrt worden ist darüber, dass bei einer ihre späteren Zeugnisverweigerung ihre Angaben aus der richterlichen Vernehmung verwertet werden dürfen. In der Hauptverhandlung hatte die Zeugin von ihrem Recht aus § 52 StPO Gebraucht gemacht und sich mit einer Verwertung ihrer vorherigen Aussage nicht einverstanden erklärt.

2. Strafsenat des BGH:
Rn. 5 ff.: § 252 StPO normiert nicht nur ein Verlesungs- sondern auch ein umfassendes Verwertungs­verbot. Auch die Einführung einer Aussage durch Vernehmung der Verhörsperson ist unzulässig, wenn der Zeuge erst in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigert. Eine Ausnahme macht die Rspr., soweit der Ermittlungs­richter über eine von ihm durchgeführte Vernehmung durch das Gericht vernommen werden soll. Dies hat die Rspr. zum einen mit einer Güterabwägung der Rechte des belehr­ten Zeugen gegenüber den Interessen der Strafverfolgung begründet. Zum anderen bringe das Gesetz der richterlichen Vernehmung allgemein höheres Vertrauen entgegen, und die richterliche Vernehmung habe eine auch für den Zeugen erkennbar größere Bedeutung für das Straf­verfahren. Voraussetzung sei eine ordnungs­gemäße Belehr­ung des Zeugen über das Recht aus § 52 StPO, nicht aber über die Möglichkeit der Verwertung der richterlichen Vernehmung (sog. qualifizierte Belehr­ung). Eine solche Belehr­ung sei u.a. nicht gesetzlich vorgesehen.

Von dieser ständigen Rechts­prechung löst sich nun der 2. Strafsenat (Rn. 12 ff.)
Zentrales Anliegen des Straf­verfahrens sei zwar die Wahrheitsermittlung, aber nicht um jeden Preis. Das durch die Verfassung garantierte Recht, nicht an der Überführung einer nahestehenden Person aktiv mitwirken zu müssen, lasse das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zurücktreten. Die Konfliktsituation löst § 252 StPO für den Zeugen auf. Auch das BVerfG gehe davon aus, dass §§ 52, 252 StPO dem Zeugen das Recht geben eine Aussage bis zur Hauptverhandlung folgenlos wieder zurücknehmen zu können.

Der Strafsenat will die Verwertung einer richterlichen Vernehmung aus folgenden Gründen nur bei Belehr­ung des Zeugen über die Möglichkeit der Verwertung seiner Aussage in der Hauptverhandlung zulassen:

1. Die Differenzierung zwischen richterlicher Vernehmung und anderen Vernehmungen sei mit Einführung von § 163a StPO überholt und der StPO fremd. Dass einem Zeugen bei der richterlichen Vernehmung vor Augen stehe, dass er seine Aussagen nicht mehr zurücknehmen könne, sei eine bloße Behauptung ohne normativen Gehalt.

2. Nur die qualifizierte Belehr­ung versetze den Zeugen in die Lage, über seine Aussagebereitschaft und deren Folgen im weiteren Verfahren auf einer sicheren Grundlage zu entscheiden. Kennt der Zeuge die Möglichkeit der späteren Verwertung nicht, so leidet sein Entschluss unter einem „durchgreifenden Mangel“.

3. Die mangelnde Regelung einer qualifizierten Belehr­ung stehe dem Kriterium als Voraussetzung für die Verwertung ebenso wenig entgegen, wie der Umstand, dass der Zeuge sich dessen bewusst sei, dass er richterlich vernommen werde, um die Aussage für die Hauptverhandlung zu sichern. Ersteres sei bereits deswegen kein Argument, weil bereits die Ausnahme für richterliche Vernehmungen richterrechtlich entwickelt sei.

Obiter dictum bringt der 2. Strafsenat seine Zweifel an der Zulässigkeit einer Ausnahme von § 252 StPO bei der richterlichen Vernehmung zum Ausdruck (Rn. 20).

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