Leitsatz:
Kann ein zur Urteilsfindung berufener Richter wegen Krankheit nicht zu einer Hauptverhandlung erscheinen, die bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat (§ 229 Abs. 3 Satz 1 StPO), so kommt der Eintritt eines Ergänzungsrichters (§192 Abs. 2 GVG) grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn der erkrankte Richter nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin weiterhin nicht erscheinen kann.
Sachverhalt:
Zu Beginn des 15. Verhandlungstages der Hauptverhandlung teilte der Vorsitzende mit, dass eine beisitzende Richterin an der weiteren Mitwirkung in der Hauptverhandlung verhindert sei, weil ihr wegen einer Komplikation bei ihrer Schwangerschaft für die Dauer von zwei Wochen ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen worden und ungewiss sei, ob sie danach wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren werde; deshalb sei der Ergänzungsrichter eingetreten. Die Angeklagten rügten die Besetzung der Kammer. Ihrem Antrag, die Hauptverhandlung bis zur Mitwirkung der beisitzenden Richterin zu unterbrechen, wurde nicht entsprochen.
Der Senat hält die Revision für begründet; durch die Entscheidung die beisitzende Richterin für verhindert zu erklären und die Hauptverhandlung sogleich mit dem Ergänzungsrichter fortzusetzen, seien die Beschwerdeführer ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden (§ 338 Nr. 1 StPO).
Nach bisheriger Rechtsprechung habe der Vorsitzende bei seiner Entscheidung über das Vorliegen eines Verhinderungsfalls gem. § 192 Abs. 2 GVG einen Ermessensspielraum darüber, ob er die Hauptverhandlung zunächst unterbricht und abwartet, ob sie später mit dem verhinderten Richter fortgeführt werden kann, oder sie sofort unter Mitwirkung des Ergänzungsrichters fortsetzt. Zeitlich begrenzt sei der Entscheidungsspielraum nur durch die in § 229 Abs. 1 und 2 StPO normierten Unterbrechungsfristen gewesen, wonach die Hauptverhandlung längstens bis zu einem Monat unterbrochen werden darf. (Rn. 4)
Anders sei dies aber nach der Neufassung des § 229 Abs. 1 und 2 StPO, wonach der Lauf der Unterbrechungsfristen für bis zu sechs Wochen gehemmt ist, wenn eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Erkrankung zur Hauptverhandlung nicht erscheinen kann. Die Feststellung des Verhinderungsfalls müsse bis zum Fristablauf zurückzugestellt und abgewartet werden, ob die Hauptverhandlung noch unter Mitwirkung des erkrankten Richters fortgesetzt werden kann. „Solange die Fristen gehemmt sind, ist für eine Ermessensentscheidung des Vorsitzenden deshalb kein Raum, und der Eintritt des Ergänzungsrichters kommt erst in Betracht, wenn der erkrankte Richter nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin weiterhin nicht erscheinen kann.“ (Rn. 6)
Die Neuregelung würde entgegen der in der Literatur vertretenen Auffassung die Ressourcen der Justiz schonen, die bei einer notwendigen neuen Verhandlung der Sache erheblich belastet werden. (Rn. 8)
Auch hinsichtlich des Beschleunigungsverbots bestünden keine Bedenken. „Der Gesetzgeber hat durch die Erstreckung der Fristenhemmung auf den Fall der krankheitsbedingten Verhinderung eines zur Entscheidung berufenen Richters unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine dadurch hervorgerufene Verzögerung der Hauptverhandlung für die Dauer der Erkrankung des Richters, längstens aber für sechs Wochen, hingenommen werden soll, weil dies der beschleunigten Erledigung des gesamten Verfahrens dient.“ (Rn.10)