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BGH, Beschl. v. 12.10.2016 – 2 StR 367/16: Zur Mitteilung über Verständigungs­gespräche gemäß § 257c StPO

Sachverhalt:

Nach den Feststellungen schlug der Angekl. A den G aus nichtigem Anlass zu Boden und trat vielfach mit dem beschuhten Fuß auf dessen Kopf ein, wobei er äußerte, diesen umbringen zu wollen. A ließ erst von G ab, als sich die Polizei näherte. Am ersten Verhandlungs­tag räumte A eine körperliche Auseinandersetzung ein, bestritt aber Tritte gegen den am Boden liegenden G. Auf Initiative des Verteidigers kam es am zweiten Tag zu einem 45-minütigen Verständigungs­gespräch. Der Vorsitzende unterrichtete danach A und die Öffentlichkeit über folgendes Ergebnis der Gespräche: Die Kammer könne sich vorstellen, dass ohne weitere Zeugenvernehmungen für die Taten des A eine Freiheitsstrafe zwischen 2 Jahren 6 Monaten und 3 Jahren in Betracht komme, sofern das Geständnis auf Tritte durch A erweitert würde und regte eine Beschränkung der Anklage gem. § 154a II StPO auf gefährliche Körperverletzung – angeklagt war auch ein versuchter Totschlag – an. In der Folge legte A, ohne zuvor von dem Vorsitzenden gem. § 257c V StPO belehrt worden zu sein, ein erweitertes Geständnis ab, mit dem er einräumte, er habe in der Schluss­phase der Auseinandersetzung dem G auch gegen dessen Kopf getreten. Dieses Geständnis hielt die Strafkammer zwar möglicherweise für falsch – Zeugin C und G hatten übereinstimmend ausgesagt, dass in der Schluss­phase keine Tritte, sondern nur Schläge erfolgten. Gleichwohl hat das LG die i.R.d. Verständigung in Aussicht gestellte Mindest­freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verhängt.

 

Aus den Gründen:

Die Revision rügt zu Recht, dass der Vorsitzende nicht nach § 243 IV 2 StPO über außerhalb der Hauptverhandlung geführte Verständigungs­gespräche ausreichend berichtet und A nicht nach § 257c V StPO belehrt habe.

„Die Information über das (…) Verständigungs­gespräch genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Denn mitzuteilen ist bei einem solchen auf eine Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung abzielenden Gespräch, wer an diesem beteiligt war, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist.“ (Rn. 11) „Dem entspricht die im vorliegenden Fall erfolgte Mitteilung über die mit dem Ziel einer Verständigung geführte 45-minütige Unterredung nicht, weil der Vorsitzende lediglich das Ergebnis, nicht aber Verlauf und Inhalte des Gesprächs mitgeteilt hat.“ (Rn. 12)

„Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Fehlen der nach § 257c Abs. 5 StPO erforderlichen Rechts­mittelbelehr­ung und auf der unzulänglichen Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO beruht. Bei solchen erheblichen Rechts­verstößen ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein Verständigungs­urteil darauf beruht (…). Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die besondere Bedeutung der verletzten Vorschriften für die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung. (…) Es kann (…) nicht ausgeschlossen werden, dass der Angekl. bei ordnungs­gemäßer Information über den Inhalt der Verständigungs­gespräche etwa noch weitergehende Beweisanträge – z. B. die zeugenschaft­liche Vernehmung seiner beiden bei der körperlichen Auseinandersetzung zugegen gewesenen Begleiter – gestellt hätte, die dazu hätten führen können, dass das Gericht die Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB verneint hätte.“ (Rn. 13)

„Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass es unzulässig ist, Absprachen über den Schuldspruch, etwa durch die Zusage des Einstellens wesentlicher Tatteile nach § 154a StPO, zum Gegenstand einer Verständigung zu machen.“ (Rn. 15)

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