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BGH, Beschl. v. 21.04.2016 – 2 StR 394/15: Beweisverwertungs­verbot wegen Verletzung des Richtervorbehalts, § 105 I 1 StPO

Sachverhalt:

Der Angekl. L, gegen den wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt wurde, wurde 10 Tage später festgenommen und kam in Untersuchungs­haft. I.R. strafrechtlicher Ermittlungen am Tag der Festnahme begangenen Straftat, stießen die Ermittlungs­beamten zufällig auf einen auf L zugelassenen Pkw. Da die Beamten vermuteten, dass sich in diesem insbes. die bei der Körperverletzung verwendeten Waffen befinden, informierten sie den zuständigen OStA O. O, dem nicht bewusst war, dass die den Ermittlungen zugrunde liegende Tat bereits 10 Tage zurücklag, ordnete wegen Gefahr in Verzug die sofortige Durchsuchung des Pkw des L an, ohne zuvor zu versuchen, eine richterliche Anordnung zu erlangen; die Anordnung des O ist zudem weder schriftlich dokumentiert noch sind die die Dringlichkeit rechtfertigenden Tatsachen begründet. Die Beamten durchsuchten den Pkw des L und fanden dabei zufällig Kokain; Tatwaffen fanden sie nicht.

Aus den Gründen:

„Die (…) Durchsuchung war wegen Missachtung des Richtervorbehalts rechts­widrig. Eine gemäß § 105 I 1 StPO grundsätzlich erforderliche richterliche Durchsuchungs­anordnung lag nicht vor. Die „Revision [rügt] zu Recht, dass die Anordnung des Oberstaats­anwalts nicht auf einer rechtmäßigen Inanspruchnahme seiner sich aus § 105 I 1 StPO ergebenden Eil­kompetenz beruhte, weil Gefahr im Verzug objektiv nicht vorlag.“ (Rn. 13)

Dies führt zu einem Beweisverwertungs­verbot bzgl. des Kokains. Es ist „von Verfassungs wegen zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten.“ Der BGH nimmt einen solchen schwerwiegenden Verstoß hier an, trotz der Un­kenntnis des OStA: „Unbeschadet dessen, dass eine solche Fehlvorstellung auf – nicht nachzuvollziehender – nicht vollständiger Information beruht hat, die der Sphäre der Ermittlungs­behörden zuzurechnen ist, kann dieser Umstand es nicht rechtfertigen, dass noch nicht einmal der Versuch unternommen worden ist, an einem Werktag zu dienstüblichen Zeiten eine richterliche Entscheidung zu erlangen, zumal der Angekl. sich in Untersuchungs­haft befunden hatte.“ (Rn. 15)

Dem Aspekt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungs­verlaufs könne bei solcher Verkennung des Richtervorbehalts keine Bedeutung zukommen: „Die Einhaltung der durch § 105 I 1 StPO festgelegten Kompetenzregelung könnte in diesen Fällen bei Anerkennung des hypothetisch rechtmäßigen Ersatzeingriffs als Abwägungs­kriterium bei der Prüfung des Vorliegens eines Beweisverwertungs­verbots stets unterlaufen und der Richtervorbehalt sogar letztlich sinnlos werden. Bei Duldung grober Missachtungen des Richtervorbehalts entstünde gar ein Ansporn, die Ermittlungen ohne Einschaltung des Ermittlungs­richters einfacher und möglicherweise erfolgversprechender zu gestalten. Damit würde das wesentliche Erfordernis eines rechts­taatlichen Ermittlungs­verfahrens aufgegeben, dass Beweise nicht unter bewusstem Rechts­bruch oder gleichgewichtiger Rechts­missachtung erlangt werden dürfen.“ (Rn. 16)

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