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BGH, Urt. v. 2.11.2016 – 2 StR 556/15: Zur Unerreichbarkeit eines Beweismittels, § 244 III StPO

Sachverhalt:

Der Angekl. rügt die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags. Der Zeuge M, dessen Nachname nicht bekannt war, wohl aber seine Wohnanschrift und sein Spitzname P, sollte vom Tatgeschehen. Der zum nächsten Hauptverhandlungs­tag geladene, als M.D. an der angegebenen Adresse gemeldete Zeuge erschien jedoch nicht. Nach weiteren Nachforschungen blieb unklar, ob M. mit Nachnamen D. oder B. hieß. Zum nächsten Hauptverhandlungs­tag wurde die Vorführung des M.D., dessen Name die ebenfalls an der Adresse gemeldete K telefonisch bestätigte, angeordnet. Sie blieb jedoch aufgrund Abwesenheit des M.D. erfolglos. Auch telefonisch war M.D. nicht erreichbar. Die Strafkammer wies daraufhin den Beweisantrag wegen Unerreichbarkeit des Zeugen zurück.

Aus den Gründen:

„Bei dem Antrag des Angekl. handelte es sich um einen Beweisantrag. Der als Zeuge benannte „M.“ war durch die Angabe der genauen ladungs­fähigen Anschrift, unter der nur eine Person mit diesem Vornamen gemeldet war, sowie durch die Angabe des Spitznamens hinreichend individualisiert.“ (Rn. 9)

„Unerreichbar ist ein Zeuge, wenn alle Bemühungen des Gerichts, die der Bedeutung und dem Wert des Beweismittels entsprechen, zu dessen Beibringung erfolglos geblieben sind und keine begründete Aussicht besteht, es in absehbarer Zeit herbeizuschaffen.“ (Rn. 11) „Dass der (…) grundsätzlich ladungs­fähige und damit erreichbare Zeuge der Ladung zur Hauptverhandlung (…) nicht gefolgt ist und seine Vorführung (…) nicht erfolgreich war, führt nicht dazu, ihn deshalb als „unerreichbar“ anzusehen. Zwar kann die definitive Weigerung eines Zeugen, zu erscheinen und auszusagen, die Annahme von Unerreichbarkeit rechtfertigen; allein einmaliges Nichterscheinen in der Hauptverhandlung wie hier aber lässt diesen Schluss nicht zu.“ (Rn. 13)

„Die vom LG bis zu diesem Zeitpunkt unternommenen Anstrengungen, den Zeugen (…) herbeizuschaffen, genügten – mit Blick auf den Wert und die Bedeutung des Beweismittels – auch nicht, um von der beantragten Beweiserhebung abzusehen. Nach dem Vorbringen im Beweisantrag handelte es sich um einen unmittelbaren Tatzeugen, dessen Angaben naheliegend von wesentlicher Bedeutung für die Aufklärung des Tatgeschehens sein können. Dies gilt auch dann uneingeschränkt, wenn man berücksichtigt, dass bereits andere (…) Tatzeugen (…) vom Tatgericht vernommen worden sind.“ (Rn. 14)

„Weitere Anstrengungen des LG wären auch nicht von vornherein aussichtslos gewesen. Der Zeuge lebte offensichtlich in der Wohnung, ohne dass es einen Anhalt für ein mögliches Verschwinden gegeben hätte. Versuche der Polizei, ihn vor Ort aufzusuchen, ggf. eine weitere Vorführungs­anordnung oder die Androhung von Maßnahmen zur Erzwingung des Zeugnisses hätten nicht von vornherein vergebliche Schritte sein können, die beantragte Beweiserhebung in einer überschaubaren Zeitspanne zu ermöglichen.“ (Rn. 15)

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