BGH, Beschl. v. 6.02.2018 – 2 StR 163/ 17: Verstoß gegen Belehrungspflicht zur Möglichkeit der Pflichtverteidigerbestellung (§ 136 I 5 Hs. 2 StPO)
Die fehlende Belehrung des Angeklagten über die Möglichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung nach § 136 I 5 Hs. 2 StPO (§ 136 I 3 Hs. 2 StPO a.F.) begründet kein Beweisverwertungsverbot.
Sachverhalt:
Der wegen Mordes Angeklagte rügte, seine Angaben seien unverwertbar, weil er entgegen § 136 I 5 Hs. 2 StPO (bzw. § 136 I 3 Hs. 2 StPO a.F.) im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmungen nicht darüber belehrt worden sei, dass ihm unter den Voraussetzungen des § 140 I, II StPO ein Pflichtverteidiger bestellt werden könnte.
Aus den Gründen:
„Die Frage, ob das Unterbleiben des gesetzlich vorgeschriebenen Hinweises auf die Möglichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung zu einem Beweisverwertungsverbot führt, hat der Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden; er hat allerdings bereits vor der gesetzlichen Einführung dieser Belehrungspflicht auch ohne gesetzliche Vorgabe im Einzelfall eine Pflicht zur Belehrung über die Möglichkeit einer unentgeltlichen Verteidigung bejaht und bei einem Verstoß hiergegen ein grundsätzliches Beweisverwertungsverbot abgelehnt (…).“ (Rn. 4)
„Dies hat er im Wesentlichen damit begründet, dass nur gravierende Verfahrensverstöße zu einem Beweisverwertungsverbot führen könnten und die Verletzung der Pflicht zur Belehrung über die Möglichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung nicht annähernd einer Verletzung der Pflicht zur Belehrung über die Möglichkeit einer Verteidigerkonsultation gleich komme, die grundsätzlich ein Verwertungsverbot nach sich ziehe.“ (Rn. 4) „Hinzu kommt, dass der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren kein eigenes Antragsrecht auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers hat, sondern lediglich anregen kann, dass die Staatsanwaltschaft von ihrem Antragsrecht Gebrauch macht. Hieran sollte (…) die Ergänzung der Vorschrift nichts ändern.“ (Rn. 5)
Der Senat hält auch nach der 2013 erfolgten, ausdrücklichen Einfügung der Belehrungspflicht über die Möglichkeit der Pflichtverteidigerbestellung die Annahme eines absoluten Beweisverwertungsverbots nicht für geboten.
Die unterbliebene Belehrung des Angeklagten „begründet deshalb kein absolutes Verwertungsverbot. Aber auch die Annahme eines relativen, im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung festzustellendes Verwertungsverbot kommt hier nicht in Betracht.“ Das LG habe hier zutreffend festgestellt, „dass das staatliche Verfolgungs- und Aufklärungsinteresse (…) bei einem Tötungsdelikt besonders hoch ist, die Belehrung nicht bewusst oder willkürlich, sondern aus Unkenntnis der Vernehmungsbeamten über die Neuregelung unterblieben ist und damit der festgestellte Verstoß von geringerem Gewicht ist. Zudem fehlen (…) jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, die Angeklagten hätten im Rahmen ihrer ersten Vernehmung Angaben zur Sache gemacht, weil sie mangels wirtschaftlicher Mittel keine Möglichkeit gesehen hätten, sich eines Verteidigers zu bedienen.“ (Rn. 6)