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BGH, Beschluss v. 17.02.2021 – 5 StR 484/20: Verständigung im Strafprozess gem. § 257c StPO

Allgemeines zur Verständigung nach § 257c StPO [Rn. 3–11]

§ 257c StPO gibt die Regeln für die Verständigung zwischen Angeklagten, Gericht und Staats­anwaltschaft im Strafprozess vor. Bei einer Verständigung einigt sich das Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung mit den Beteiligten darauf, wie das Urteil in den Grundzügen ausfallen soll. Dies hat den Vorteil der Zeitersparnis für das Gericht und den Angeklagten. Außerdem ist der Angeklagte keinem langwierigen und möglicherweise medial begleiteten Verfahren ausgesetzt.

Gegenstand einer Verständigung dürfen nach § 257c II 1 StPO nur die Rechts­folgen sein. Sie ist also im Wesentlichen auf das Strafmaß begrenzt. Nach § 257c II 2 StPO soll auch ein Geständnis Bestandteil jeder Verständigung sein. Mit der Zustimmung des Beklagten und der Staats­anwaltschaft wird die Verständigung wirksam.

Fraglich ist, ob die Bindung an die Verständigung auch nach der Aussetzung des Verfahrens fortbesteht.

Leitsätze des BGH

  • Wird das Verfahren, in dem es zu einer Verständigung gekommen war, ausgesetzt, entfällt die Bindung des Gerichts an die Verständigung. [Rn. 10–12]

Der Gesetzgeber habe zum Ausdruck gebracht, dass die Bindungs­wirkung nach den allgemeinen Grundsätzen entfalle. Danach gelte eine Absprache nur zwischen den Beteiligten – also könnten auch nur die Richter gebunden werden, die den Deal geschlossen haben. Eine Aussetzung führe zu einem Neubeginn des Haupt­verfahrens – und lässt laut den Leipziger Richtern auch die Bindung an die Verständigung entfallen.

  • Das aus der Aussetzung resultierende Entfallen der Bindungs­wirkung führt grundsätzlich zur Unverwertbarkeit des im Vertrauen auf den Bestand der Verständigung abgegebenen Geständnisses in der neuen Hauptverhandlung. [Rn. 13–22]

Die Einlassung sei im Vertrauen auf die getroffene Absprache erfolgt, und dieses Vertrauen sei verfassungs­rechtlich – mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens – zu schützen.

  • Eine Pflicht, den Angeklagten zu Beginn der neuen Hauptverhandlung über die Unverwertbarkeit seines in der ausgesetzten Hauptverhandlung abgegebenen Geständnisses ausdrücklich („qualifiziert“) zu belehren, besteht nicht, wenn der Angeklagte vor der Verständigung ordnungs­gemäß nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war; es genügt, wenn er zu Beginn der neuen Hauptverhandlung darüber informiert wird, dass eine Bindung an die in der ausgesetzten Hauptverhandlung getroffene Verständigung entfallen ist (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 24. April 2019 – 1 StR 153/19, BGHR StPO § 243 Abs. 4 Mitteilungs­pflicht 12). [Rn. 23–29]

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