BGH, Beschl. v. 14.11.2023 – 6 StR 495/ 23: Zum Adhäsionsverfahren (§ 403 S. 2 StPO)
Leitsatz
Antragsberechtigt im Adhäsionsverfahren ist auch, wer einen fremden Anspruch im eigenen Namen im Wege sogenannter gewillkürter Prozessstandschaft geltend macht.
Aus den Gründen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 23 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt sowie eine Einziehungs- und zwei Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). (Rn. 1)
Der Angeklagte wurde in der Adhäsionsentscheidung zur Zahlung von Schadensersatz an die b. GmbH verurteilt. Mit wirksamen Adhäsionsantrag liegt die von Amts wegen zu prüfende notwendige Verfahrensvoraussetzung für das Annexverfahren vor. (Rn. 3)
Zu erörtern bleibt die Antragsbefugnis gem. § 403 S. 2 StPO; den Antrag hat nämlich nicht die b. GmbH selbst, sondern die a. GmbH gestellt.
- Wortlaut: Mit § 403 S. 2 StPO wurde die Antragsberechtigung vom Verletztenbegriff iSd § 373b StPO entkoppelt, sodass eigene Ansprüche auch von Rechtsnachfolgern im Wege des vertraglichen oder gesetzlichen Forderungsübergangs oder fremde Ansprüche im eigenen Namen nach Ermächtigung durch den Verletzten (gewillkürte Prozessstandschaft) geltend gemacht werden könnten. (Rn. 4–7)
- Regelungssystematik: Darüber hinaus spricht hierfür auch die Regelungssystematik der StPO, welche dem Adhäsionskläger, der nicht Verletzter der Tat ist, eigene, allerdings stark begrenzte Verfahrensrechte gewährt (z.B. Akteneinsichtsrecht, § 406e Abs. 4 StPO). (Rn. 8)
- Gesetzesgenese: Zudem wollte der Gesetzesgeber eine Antragsberechtigung für Personen sicherstellen, die nur mittelbar durch die Tat geschädigt sind. Es sind keine Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien zu finden, die gegen eine erweiterte Antragsbefugnis sprechen. (Rn. 8)
Vorliegend handelt es sich um eine gewillkürte Prozessstandschaft. Diese ist zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zu dieser Art der Prozessführung ermächtigt worden ist und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat. Das schutzwürdige Eigeninteresse ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat und kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden. Dies ist im Zivilprozess sowie im Adhäsionsverfahren von Amts wegen zu prüfen. (Rn. 10)