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OLG Celle, Beschl. v. 25.1.2013 – 2 Ws 17–21/13: Folgen des fehlenden subjektiven Rechtfertigungs­elements

Leitsatz: 2. Liegen die objektiven Voraussetzungen der Notwehr vor und fehlt es allein an den subjektiven Voraussetzungen des Notwehrtatbestandes, so entfällt das Erfolgsunrecht der begangenen Tat und bleibt es bei einer Strafbarkeit wegen Versuchs.

Die Entscheidung äußerst sich zu der umstrittenen Konstellationen des sog. umgekehrten Erlaubnistatbestandsirrtum, in der der Täter nicht erkennt, dass objektiv eine Rechtfertigungs­konstellation vorliegt, so dass ihm das subjektive Rechtfertigungs­element fehlt. Das OLG Celle nimmt in Einklang mit der wohl h.M. an, dass in diesem Fall die Versuchsregeln anzuwenden sein.

Aus den Gründen:

Zur Notwehrhandlung betont das OLG zunächst, das hinsichtlich des Schusswaffengebrauchs die Umstände des Einzelfalls maßgeblich und ggf. auch ein sofortiger Einsatz der Waffe erforderlich sein kann: „Bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Notwehrhandlung ist nach ständiger Rechts­prechung beim Einsatz einer Schusswaffe zu berücksichtigen, dass der Angegriffene in der Regel gehalten ist, den Gebrauch der Waffe zunächst anzudrohen, oder, sofern dies nicht ausreicht, wenn möglich vor dem tödlichen einen weniger gefährlichen Einsatz zu versuchen (...). Im Hinblick auf den danach grundsätzlich zunächst abzugebenden Warnschuss ist aber zu berücksichtigen, dass ein solcher Warnschuss in der gegebenen Situation nicht sicher zur Beendigung des Angriffs geführt hätte. Die Täter waren bereits auf der Flucht und hatten das Haus des Angeschuldigten bereits verlassen oder waren gerade dabei. In dieser Situation hätten die Täter bei einem Warnschuss ihre Flucht fortsetzen und daher „im Dunkel der Nacht verschwinden können“, wie der BGH dies in einer ähnlichen Konstellation bereits ausgeführt hat (NStZ 2001, 590). Ein Warnschuss hätte also hier nicht sicher zur Beendigung des Angriffs geführt und möglicherweise keine weiteren Verteidigungs­mittel mehr zugelassen, da die Täter dann hätten außerhalb des Schussfelds sein können, so dass dem Angeschuldigten dann keine weiteren Verteidigungs­mittel zur Verfügung gestanden hätten.“ Ob allerdings der Schuss in den Rücken erforderlich gewesen sei, erscheint dem OLG zweifelhaft.

Zu den Folgen des fehlenden subjektiven Rechtfertigungs­elements heißt es kurz und bündig: „Liegen die objektiven Voraussetzungen der Notwehr vor und fehlt es allein an den subjektiven Voraussetzungen des Notwehrtatbestandes, so entfällt das Erfolgsunrecht der begangenen Tat und bleibt es bei einer Strafbarkeit wegen Versuchs“.

Zum Volltext

Vgl. auch BeckRS 2013, 07170 = JuS 2013, 1042 (Jahn)