Die Entscheidung behandelt im Kontext einer vereinbarten Massenschlägerei zwischen Anhängern verfeindeter Fußballclubs Fragen der Einwilligung in wechselseitige Körperverletzungen. Vgl. zuvor schon grundlegend BGHSt 58, 140 = JuS 2013, 945 (Jahn).
Leitsätze:
1. Bei Körperverletzungen im Rahmen von tätlichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen ist bei der für die Anwendung von § 228 StGB vorzunehmenden Bewertung der Gefährlichkeit der Körperverletzungshandlungen die mit derartigen Tätlichkeiten typischerweise verbundene Eskalationsgefahr zu berücksichtigen. (Rn.16)
2. Fehlen bei solchen Auseinandersetzungen das Gefährlichkeitspotential begrenzende Absprachen und effektive Sicherungen für deren Einhaltung, verstoßen die in deren Verlauf begangenen Körperverletzungen trotz Einwilligung selbst dann gegen die guten Sitten (§ 228 StGB), wenn mit den einzelnen Körperverletzungen keine konkrete Todesgefahr verbunden war. (Rn.21)
Aus den Gründen:
Das OLG München betont noch einmal, dass es für die Sittenwidrigkeit der Tat maßgeblich darauf ankommt, inwieweit die Beteiligten der Gefahr einer Eskalation effektiv vorbeugen (Rn. 36 ff.): „Die teilnehmenden Personen haben zwar im Vorhinein vereinbart, dass sie sich gegenseitig keine erheblichen Körperverletzungen zufügen werden, jedoch haben sie in keiner Weise vorab sichergestellt, dass die zwischen ihnen vereinbarten Regeln auch tatsächlich eingehalten werden.“ Eine konkrete Eskalationsgefahr ergab sich darüber hinaus aus der hohen Anzahl von teilnehmenden Personen und aus dem Ort des Geschehens mitten im öffentlichen Straßenverkehrsraum auf dem Mittleren Ring an einer der verkehrsreichsten Stellen Münchens.
Mangels konkretem Regelwerk und fehlender Überwachung der Auseinandersetzung (z.B. durch unparteiische Schiedsrichter) handelte es sich nicht um einen einvernehmlich geführten „Schlagabtausch“ zweier rivalisierender Fangruppen, sondern um eine unkontrollierte und unkontrollierbare gruppendynamische Massenprügelei, deren erhebliches Gefährlichkeitspotential mit großer Eskalationsgefahr durch die vorher getroffene Vereinbarung nicht in ausreichender Weise eingegrenzt werden konnte.
Aus ex-ante-Sicht bestand für die Teilnehmer auf Grund der hohen Anzahl an beteiligten Personen eine konkrete Gefahr erheblicher Körperverletzungen bis hin zu einer konkreten Todesgefahr, denn es lässt sich bei derartigen Massenprügeleien im Vorhinein nicht mit der notwendigen Sicherheit ausschließen, dass Körperverletzungshandlungen gegen bereits geschlagene, nicht mehr effektiv zur Abwehr fähige Beteiligte, fortgeführt werden oder dass sich innerhalb der Auseinandersetzung unterschiedliche Anzahlen von Kämpfern der jeweiligen Gruppen gegenüberstehen (vgl. BGH Beschl. v. 20.02.2013 aaO Rdn. 19).
Fehlen Absprachen und effektive Sicherungen für deren Einhaltung, die bei wechselseitigen Körperverletzungen zwischen rivalisierenden Gruppen den Grad der Gefährdung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit der Beteiligten auf ein vor dem Hintergrund des Selbstbestimmungsrechts von Seiten des Staates tolerierbares Maß begrenzen, verstoßen die Taten somit trotz der Einwilligung der Verletzten selbst dann gegen die guten Sitten (§ 228 StGB), wenn mit den einzelnen Körperverletzungserfolgen keine konkrete Todesgefahr verbunden war (BGH Beschl. v. 20.02.2013 aaO Rdn. 21).“