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BGH, Beschl. v. 11.05.2016 – 1 StR 77/16: Kein Fehlschlag bei außertatbestandlicher Zielerreichung

Sachverhalt:

Die Angekl. A veräußerte Haschisch an einen Abnehmer K, der aber nicht vollständig zahlte. A begab sich daher mit ihrem Lebens­gefährten L zur Wohnung des K, um den noch ausstehenden Kaufpreis in Höhe von 400 € einzutreiben. Da K nicht öffnete, trat L die Scheibe der Terrassentür ein und forderte von dem im Wohnzimmer sitzenden K Geld. Um diese Forderung zu unterstreichen, packte L – die A überraschend – eine am Boden liegende Kordel und legte sie K um den Hals, um ihm kurzzeitig Schmerz zuzufügen. K nahm ihm die Kordel ab und blieb unverletzt. Nun wollte ihm L mit Billigung der A mit der Faust ins Gesicht schlagen. Er traf jedoch nicht und forderte weiter lautstark Geld. K gab ihm unter dem Eindruck der Gewalt­anwendung 100 €. A sah daher von weiteren Tätlichkeiten ab und verließ mit L die Wohnung. Ein paar Tage später suchte A den K erneut auf. Sie drohte, sie werde ihm erneut L schicken, wenn er nicht zahle. K zahlte jedoch folgenlos nicht.

Das LG hat A wegen versuchter Körperverletzung in Mittäterschaft verurteilt und einen strafbefreienden Rücktritt gem. § 24 StGB aufgrund eines Fehlschlags verneint.

Aus den Gründen:

„Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder (subjektiv) die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungs­handlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungs­fortgangs, liegt ein Fehlschlag vor.“ (Rn. 4)

„Den Urteilsgründen lassen sich keine Umstände entnehmen, die aus Sicht der Angekl. sie selbst oder ihren Lebens­gefährten daran gehindert haben könnten, erneut zuzuschlagen; ein Fehlschlag des Körperverletzungs­versuchs ist daher nicht belegt. Dass sie möglicherweise deshalb nicht weiter auf den Geschädigten eingewirkt haben, weil ihnen dieser 100 Euro ausgehändigt hatte, schließt einen Rücktritt vom unbeendeten Versuch nicht aus. Ein solcher ist auch dann möglich, wenn der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil er sein außertatbestandliches Handlungs­ziel erreicht hat.“ (Rn. 5)

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