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BGH, Beschl. v. 2.11.2016 – 2 StR 495/12: Vorlagebeschluss zur Verfassungs­mäßigkeit der Wahlfeststellung

Dem Großen Senat für Strafsachen wird die Frage vorgelegt:

1. Ist die gesetzesalternative Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei verfassungs­gemäß?

2. Wenn ja: Ist die gesetzesalternative Verurteilung bei gleichzeitiger Erfüllung des Tatbestands der Geldwäsche ausgeschlossen?

Der 2. Senat hat im Hinblick auf die erfolgte Verurteilung der Angeklagten wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei durch Beschluss vom 28. Januar 2014 – 2 StR 495/12 (zum Beschluss) gemäß § 132 Abs. 3 GVG bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie an der Rechts­prechung zur Zulässigkeit einer gesetzesalternativen Verurteilung festhalten.

Die anderen Strafsenate haben im Kern übereinstimmend angenommen, bei der gesetzesalternativen Verurteilung handele es sich um eine den Grundsatz „in dubio pro reo“ einschränkende prozess­uale Entscheidungs­regel, die nicht der Verfassungs­bestimmung des Art. 103 Abs. 2 GG unterliege. Diese Verfassungs­norm fordere keinen eindeutig bestimmten Schuldspruch im Strafurteil. Das Richterrecht bestimme auch nicht, was strafbar sei, sondern lege nur fest, wie das Gericht in einer bestimmten Prozess­lage zu reagieren habe. Die Strafbarkeit selbst sei durch den Gesetzgeber bestimmt und für den Norm­unterworfenen vorhersehbar. Der Angeklagte werde nicht aus einer ungeschriebenen dritten Strafnorm verurteilt. Ein Freispruch in doppelter Anwendung des Zweifelsatzes wäre hingegen in Fällen, in denen ein strafloses Verhalten des Angeklagten sicher auszuschließen sei, mit dem Gebot der Gerechtigkeit unvereinbar. Die Möglichkeit der gesetzesalternativen Verurteilung aufgrund von Richterrecht entspreche der Einschätzung des Gesetzgebers. Das von der Rechts­prechung entwickelte Merkmal der rechts­ethischen und psychologischen Gleichwertigkeit der verschiedenen Taten stelle nur sicher, dass die Rechts­folgenentscheidung trotz der Tatsachenalternativen an einen im Kern einheitlichen Schuldvorwurf anknüpfe. Erschwerende Umstände, die nur bei einer der alternativ in Betracht kommenden Verhaltensweisen infrage kämen, dürften einem Angeklagten nicht angelastet werden.

Der Senat hält an seiner Rechts­auffassung fest, dass eine gesetzesalternative Verurteilung mit dem besonderen Gesetzesvorbehalt für das Strafrecht aus Art. 103 Abs. 2 GG kollidiert. Sie wirke strafbegründend, weil in einem solchen Fall die Erfüllung eines bestimmten Straftatbestands nicht feststellbar sei. Die Verurteilung beruhe dann letztlich auf einer ungeschriebenen dritten Norm, die nicht durch den Gesetzgeber erlassen worden sei, sondern Richterrecht darstelle. Im Übrigen sei sie auch mit dem Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 GG, unvereinbar; denn davon werden ohne gesetzliche Grundlage der Zweifelssatz und die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) modifiziert. Schließlich bleibe im Fall der gesetzesalternativen Verurteilung auch der Schuldgrundsatz unbeachtet.

Nach Ansicht des Senats schließt § 261 StGB für seinen Anwendungs­bereich die gesetzesalternative Verurteilung wegen zweier Katalogtaten aus:

„§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB beinhaltet nicht nur einen persönlichen Strafausschließungs­grund, sondern auch eine Konkurrenzregel, die eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche ausschließt, wenn eine Verurteilung wegen einer Katalogtat möglich ist. Dies setzt jedoch die tatsächliche Strafbarkeit desselben Täters wegen Beteiligung an der Vortat voraus. Nur zur Vermeidung einer doppelten Bestrafung wegen der Katalogtat und wegen Geldwäsche wurde § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB eingefügt. Eine solche Gefahr der Doppelbestrafung besteht nicht, wenn eine – eindeutige – Verurteilung wegen einer Katalogtat im Hinblick auf Tatsachenzweifel ausscheidet und deshalb eine Postpendenzfeststellung der Geldwäsche ermöglicht wird. Insoweit hat der Geldwäschetatbestand jedenfalls Vorrang vor einer gesetzesalternativen Verurteilung.“

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