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BGH, Beschl. v. 25.8.2016 – 2 StR 559/16: Zu den Voraussetzungen der Mittäterschaft beim versuchten Mord

Sachverhalt:

Zwischen D und Z war es zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen, weil Z den D berechtigter Weise zurecht gewiesen hatte. A beleidigte daraufhin den Z. Diese wollte sich die Beleidigung nicht gefallen lassen und ging auf A zu, „um ihm Paroli zu bieten“. „Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung, in deren Verlauf Z äußerte, D „in zwei Stücke zerreißen zu können oder zu wollen.“ D scheute eine tätliche Auseinandersetzung ab, weil er sich Z körperlich unterlegen fühlte. Z wandte sich schließlich ab und ging, obwohl D ihm weiter hinterherrief. D fasste nun den Entschluss, den Z für sein Verhalten zu bestrafen. D ging daraufhin an den Kofferraum des Pkw des B und entnahm ihm einen dort von den D und B für den Fall einer körperlichen Auseinandersetzung deponierten Baseballschläger und „versicherte sich der Gefolgschaft des bis dahin untätigen B“.

„Dieser sagte seine Gefolgschaft zu, weil er sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen wollte, hinter D zurückzustehen bzw. ihn nicht unterstützt zu haben. Im Bewusstsein, seinem Gegner auf diese Weise auf alle Fälle überlegen zu sein, nahm der Angeklagte D. mit B. im Schlepptau gegen 4.40 Uhr die Verfolgung des sich entfernenden Nebenklägers Z. auf, wobei B. klar war, dass D. Z. mit dem Baseballschläger misshandeln und womöglich damit auch gegen dessen Kopf schlagen werde. Das nahm er billigend in Kauf. D. schlug mit dem Baseballschläger auf den Boden, um seinem Unmut über den Nebenkläger freien Lauf zu lassen und sich selbst weiter anzustacheln. Dabei brach der Keulenkopf vom Griffstück des Schlägers ab. Z. maß diesem Imponiergehabe, so er es denn überhaupt mitbekam, keine Bedeutung bei und setzte seinen Weg fort. Beide Angeklagten erkannten, dass der Nebenkläger die Auseinandersetzung für beendet erachtete und waren sich deshalb bewusst, dass bei einem Angriff von hinten die Ausweich- und Verteidigungs­möglichkeiten des Tatopfers durch seine bestehende Ahnungs­losigkeit stark herabgesetzt waren. In diesem Bewusstsein näherte sich der Angeklagte D., der den Keulenkopf des Schlägers in der Hand trug, dem Nebenkläger von hinten. Er trat dem immer noch ahnungs­losen Nebenkläger von hinten in die Beine und schlug ihm, um erst gar keinen Widerstand aufkommen zu lassen, gleichzeitig mit dem Keulenkopf auf den Schädel, worauf dieser das Bewusstsein verlor, zu Boden ging und sich durch den ungebremsten Aufprall den rechten Oberschenkelhals brach. Es folgten drei weitere Schläge von D. auf den Kopf des Tatopfers, B. schlug mit der linken Faust zu und traf das linke Auge, wodurch es zu einem Orbitalbruch kam. Infolge der mit dem Baseballschlägerkopf ausgeführten Schläge erlitt der Nebenkläger Platz­wunden sowie eine Einreißung an der linken Ohrmuschel. Im Bewusstsein, dem bewusstlosen Tatopfer möglicherweise auch tödliche Verletzungen beigebracht zu haben, ließen die Angeklagten von ihm ab; es wurde kurze Zeit später von Passanten gefunden, die Rettungs­kräfte alarmierten.“
Das Landgericht hat eine heimtückische Begehungs­weise i.S.v. § 211 StGB sowie niedrige Beweggründe des D angenommen. Zudem hat es eine mittäterschaft­liche Begehung seitens B bejaht, weil B zumindest konkludent zugesagt habe, sich an der Misshandlung des Z zu beteiligen. Die Kammer „folgert die Annahme einer Übereinkunft (im Vorfeld des eigentlichen Tatgeschehens) im Wesentlichen aus einem „symbiosehaft anmutenden Verhältnis der Angeklagten im Zeitraum vor der Tat“ und dem sich daraus ergebenden Tatmotiv des Angeklagten B., der mit D. solidarisch gewesen sei und ihn deshalb unterstützt habe.“

Aus den Gründen:

Der BGH lehnt diese Würdigung als zu kurzgreifend ab: B habe sich „während der gesamten vorangegangenen Auseinandersetzung des Angeklagten D. mit dem Nebenkläger herausgehalten, er war „untätig“ geblieben, hatte sich also nicht an dem verbalen Schlagabtausch mit dem Nebenkläger beteiligt. Warum sich B. nunmehr entschlossen haben soll, seine vorherige Zurückhaltung aufzugeben und sich an der folgenden körperlichen Attacke gegen den Nebenkläger zu beteiligen, obwohl sich insoweit an der Motivlage des Angeklagten nichts verändert hatte, hätte insoweit näherer Erörterung bedurft. Dass er dem Angeklagten D. womöglich regelmäßig „hinterher dackelt“, wie das Landgericht feststellt, besagt in diesem Zusammenhang noch nichts darüber, ob darin die Zusage einer Unterstützung des Angeklagten D. bei dessen nachfolgenden Totschlagshandlungen zum Nachteil des Zeugen Z. zu sehen ist. Soweit die Strafkammer im Übrigen die Feststellung solidarischen Verhaltens des Angeklagten B. als Tatmotiv aus der vorangegangenen Zurückhaltung bei der verbalen Auseinandersetzung und der anschließenden Aufnahme der Verfolgung des Zeugen Z. folgert, erweist sich dies als zirkelschlüssig; dass er den Angeklagten D. unterstützt hat, wird auch daraus abgeleitet, dass er einen Tatbeitrag zur Misshandlung des Tatopfers beigesteuert hat. Selbst wenn man aber – wie das Landgericht – davon ausginge, dass in der Aufnahme der Verfolgung die Zusage einer Hilfeleistung liege, würde daraus nicht zwangs­läufig die Annahme mittäterschaft­licher Begehung zu folgern sein. Insoweit wäre es erforderlich gewesen, anhand der Rechts­prechung des Bundes­gerichtshofs eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme vorzunehmen und darzulegen, dass – obwohl B. nach den jetzt getroffenen Feststellungen kein eigenes Tatinteresse verfolgte und (wohl) auch keine Tatherrschaft hatte – gleichwohl als Täter anzusehen ist. Dieser Rechts­fehler führt hinsichtlich des Angeklagten B. ohne Weiteres zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. (...) Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass B. nach den landgerichtlichen Feststellungen dem Nebenkläger in Kenntnis der vorangegangenen Schläge des D. gegen dessen Kopf einen Faustschlag versetzt hat. Darin könnte zwar eine sukzessive Tatbeteiligung des B. zu sehen sein, die auch zur Zurechnung des vorangegangenen Verhaltens des D. führen könnte. Auch insoweit aber wäre zu erörtern gewesen, ob dies die Annahme täterschaft­lichen Handelns tragen könnte.

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