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BGH, Beschl. v. 28.06.2016 – 1 StR 613/15: Keine Rechtfertigung gem. § 34 beim unerlaubten Umgang mit Betäubungs­mitteln zum Zweck der Eigenbehandlung

Leitsatz: Der unerlaubte Umgang mit Betäubungs­mitteln zum Zweck der Eigenbehandlung eines Schmerzpatienten kann regelmäßig nicht durch § 34 StGB gerechtfertigt sein.

Sachverhalt:

Die Angeklagte hatte von einem Kontaktmann 58g Heroin und 35g Kokain gekauft.

Aus den Gründen:

Der BGH hob den Schuldspruch wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge nicht auf. Eine Rechtfertigung durch Notstand gemäß § 34 aufgrund eines akuten Schubs ihrer Krankheit mit Schmerzverlauf kommt nach Ansicht des Senats jedoch nicht in Betracht.

Zwar sei eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit der Angekl. zu bejahen. Aufgrund eines akuten Schubs ihrer Grunderkrankung (Sarkoidose) sei die Gegenwärtigkeit des Eintritts eines alsbaldigen Schadens sicher oder höchstwahrscheinlich gewesen. Auch sei die Einnahme des Heroins wirkungs­voll und das dazu erforderliche Verschaffen damit geeignet gewesen, die Gefahr des Schadens abzuwehren. Allerdings habe die Gefahr durch ein milderes Mittel abgewendet werden können als den unerlaubten Erwerb von Heroin und Kokain.

„So ist in der Rechts­prechung des Bundes­gerichtshofs anerkannt, dass die Erforderlichkeit der Notstandshandlung entfällt, wenn zur Gefahrabwehr staatliche bzw. „obrigkeitliche“ Hilfe rechtzeitig in Anspruch genommen werden kann.“ Eine Rechtfertigung gemäß § 34 scheide regelmäßig aus, wenn die Lösung der im Konflikt stehenden Rechts­güter (hier: Gesundheit der Schmerzpatientin und die hinter den betäubungs­mittelrechtlichen Vorschriften stehenden Güter und Interessen) einem besonderen Verfahren oder einer bestimmten Institution vorbehalten ist. So bedarf es z.B. einer offiziellen Genehmigung für die Möglichkeit, Cannabis zum Zweck der schmerzlindernden Eigenbehandlung einzusetzen. Als milderes Mittel sei in diesem Falle entweder eine Behandlung mit verschreibungs­pflichtigen Schmerzmitteln oder – im Fall fehlenden Zugangs zu solchen Medikamenten – die Einleitung eines Genehmigungs­verfahrens gemäß § 3 Abs. 2 BtMG in Frage gekommen. Auch wenn ein ansonsten unerlaubter Umgang mit den vom Betäubungs­mittelgesetz erfassten Stoffen zu therapeutischen Zwecken erfolgt, sei eine Rechtfertigung nach § 34 ausgeschlossen, da das Betäubungs­mittelgesetz eine abschließende Bewertung für den zulässigen Umgang mit Betäubungs­mitteln vornehme, die den Zugriff auf § 34 im Grundsatz ausschließe.

Auch eine Entschuldigung gemäß § 35 scheide wegen der anderweitigen Abwendbarkeit der Gefahr für die Gesundheit der Angekl. aus.

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