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BGH, Beschl. v. 07.03.2016 – 1 StR 123/15: Zur sukzessiven Mittäterschaft bei gefährlicher Körperverletzung und beim schweren Raub

Leitsatz: Sukzessive Mittäterschaft ist nicht mehr möglich, wenn das über die Handlung zuzurechnende Tatgeschehen – hier die Körperverletzung – bereits abgeschlossen ist, bevor es zur mittäterschaft­lichen Übereinkunft kommt.

Sachverhalt:

Die Angekl. K und S drangen in ein Haus ein, um dort nach Stehlenswertem zu suchen. Sie waren der Ansicht, dass sich im Haus niemand aufhalte. Tatsächlich schlief in einem Zimmer jedoch die B. Sie erwachte als einer der Angekl. die Tür des Zimmer, öffnete und Licht in das Zimmer fiel. Der Angekl. schloss zwar die Tür sofort wieder, B fing jedoch an zu schreien und gegen die Tür zu hämmern. Daraus entschloss sich einer der Angekl. „sie mit Gewalt einzuschüchtern, um ungestört die Wegnahme weiterer Gegenstände aus dem Haus zu ermöglichen.“ Er öffnete die Tür einen Spalt breit und sprühte B Pfefferspray ins Gesicht. „Zumindest jetzt hatte sich auch der zweite Angeklagte mit dem Vorgehen gegen B einverstanden erklärt; zugleich entschlossen die Angekl. sich, das Tatopfer einzuschließen, indem sie – um weiter ungehindert nach Beute suchen zu können – eine schwere Couch vor die Tür des Schlafzimmers schoben.
Das Landgericht ging davon aus, dass beide Angekl. bei der Begehung des Einbruchsdiebstahls arbeits­teilig vorgegangen waren. Darauf, ob der Einsatz des Sprays vereinbart war oder der jeweils andere gewusst habe, dass ein der unmittlbar Handelnde ein Pfefferspray mitgeführt hatte, komme es nicht an. „Denn der nicht sprayende Täter habe sich spätestens (jedenfalls) den Einsatz des Sprays zu eigen gemacht, als er dem Mittäter geholfen habe, die Couch vor die Tür zu schieben, und trotz Kenntnis der Gewalt­anwendung mit den Wegnahmehandlungen fortgefahren sei.“

Aus den Gründen:

Der BGH bestätigte insofern die Verurteilung wegen schweren Raubes, weil die Wegnahme der Tatobjekte nach der Vornahme der Gewalthandlungen erfolgte. Die sukzessive Mittäterschaft hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung lehnt der Senat aber ab:

Für die Annahme sukzessiver Mittäterschaft des jeweils nicht sprayenden Angeklagten ist in Bezug auf den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung aber kein Raum. Nach der Rechts­prechung des Bundes­gerichtshofes zieht bei einem Geschehen, welches schon vollständig abgeschlossen ist, das Einverständnis des später Hinzutretenden trotz Kenntnis, Billigung oder Ausnutzung der durch den anderen Mittäter geschaffenen Lage eine strafbare Verantwortung für das bereits abgeschlossene Geschehen nicht nach sich (...). So liegt der Fall hier. Als die beiden Angeklagten die Couch vor die Tür schoben, war die zuvor begangene Körperverletzung bereits beendet. Zuverlässige Feststellungen, dass der nicht sprayende Angeklagte den Einsatz des Sprays schon vorher, d.h. vor dessen Beendigung, gemerkt und gebilligt haben könnte, hat das Landgericht (...) ersichtlich nicht treffen können.

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