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BGH Urt. v. 04.02.2016 – 1 StR 424/15 und 1 StR 344/15: Keine mittäterschaft­liche Zurechnung tödlicher Messerstiche i.R. einer Schlägerei

Sachverhalt:

Der Angekl. war Mitglied der Gruppierung „Red Legion“. Die Banden­mitglieder lockten am Tatabend Angehörige der gegnerischen Gruppierung „Black Jackets“ aus einer Bar. Im Rahmen der nachfolgenden Auseinandersetzungen zückte der Angekl. ein Messer und stach gezielt in die Bauregion seines Opfers. Aufgrund dieser Handlung nahm der Angekl. billigend in Kauf, dass auch seine anderen Banden­mitglieder zu lebens­gefährlichen Maßnahmen greifen könnten. Im Zuge des Kampfgeschehens wurde ein anderes Mitglied der „Black Jackets“ mit einem Messer tödlich verletzt. Der genaue Zeitpunkt, die zeitliche Abfolge sowie der Täter des tödlichen Angriffs sind unklar. Ebenso konnte nicht aufgeklärt werden, ob der Täter den Angriff des Angekl. zuvor beobachtet hatte.

Aus den Gründen:

Der Senat führt aus, dass sich der Angekl. die tödlichen Messerstiche aufgrund eines mittäterschaft­lichen Handelns nicht zurechnen lassen müsse. Es fehle es an den subjektiven Voraussetzungen der Mittäterschaft. Diese setzten voraus, dass der Mittäter „seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen“ würde. Im vorliegenden Fall könne nicht angenommen werden, dass der gemeinsame Tatplan auch das Mitführen von Waffen und die Tötung eines Gegners umfasste. Auch ein konkludent wechselseitiges Einvernehmen sei abzulehnen. Es konnte nämlich nicht geklärt werden, ob der Täter des tödlichen Messerstiches den vorangegangenen Angriff des Angekl. überhaupt bemerkt und gebilligt hatte und dass der Angekl. die (mögliche) Billigung wahrnahm. Der Einsatz eines Messers durch den Angekl. selbst stelle daher eine außerplanmäßige Handlung dar und sei als Mittäterexzess zu qualifizieren.

Auch eine psychische Beihilfe lehnt der Senat ab. „Die Hilfeleistung […] kann zwar auch in der Billigung der Tat bestehen, wenn sie gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewusst ist.“ Auch dies hätte aber vorausgesetzt, dass der Ausführende die Billigung des anderen Beteiligten wahrgenommen hat und „dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt oder ihm zumindest ein erhöhtes Sicherheitsgefühl vermittelt wurde.“

Allerdings sei der Angekl. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu bestrafen: Die tödlichen Messerstiche seien durch die vorsätzlich begangene, gemeinschaft­liche gefährliche Körperverletzung verursacht. Diese seien im Rahmen des Kampfgeschehens erfolgt, in welchem die spezifische Gefahr einer Eskalation mit tödlichem Ausgang angelegt gewesen sei. Der Vorhersehbarkeit der Todesfolge stünde nicht entgegen, dass der Angekl. nichts von dem Mitführen von Messern der anderen Gruppen­mitglieder gewusst habe. Für die subjektive Fahrlässigkeits­komponente reiche aus, wenn der Täter die Möglichkeit des Todeserfolgs im Ergebnis hätte voraussehen können. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedürfe es dagegen nicht.

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