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BGH, Urt. v. 7.7.2016 – 4 StR 558/15: Bedingter Tötungs­vorsatz bei objektiver Gefährlichkeit der Tathandlung

Sachverhalt:

N wurde aus dem Rocker-Club H ausgeschlossen. Um ihn von weiteren Bemühungen um Rehabilitierung abzuhalten, wollten A und B (beide Club­mitglieder) N bestrafen und ihm erhebliche Verletzungen zufügen. Am Abend lauerten Sie N auf; einer der Angreifer versetzte ihm zunächst mit einem Knüppel Schläge gegen den Kopf, um ihn verteidigungs­un­fähig zu machen. Der andere hatte sich unbemerkt mit einem 15 cm langen Messer genähert. Als N eine Stichverletzung im Oberschenkel bemerkte, fiel er zu Boden. Der Angreifer beugte sich mit dem Messer über ihn und versetzte ihm mit Wissen und Wollen, ihn erheblich zu verletzen, nicht jedoch zu töten, gezielt weitere Stiche in den Oberschenkel, die Hüfte und die Unter­schenkel. Um N während der Ausführung der Messerstiche in Schach zu halten, versetzte ihm der andere Angreifer N mit dem Knüppel weitere Schläge gegen Kopf, Arme, Hände und Beine. Schließlich ließen die Angreifer von N ab und entfernten sich. Das LG hat bedingten Tötungs­vorsatz des Angekl. A verneint.

Aus den Gründen:

Die Verneinung bedingten Tötungs­vorsatzes entbehrt laut BGH einer trag­fähigen Begründung. Dieser liegt vor, „wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Beide Elemente des bedingten Vorsatzes müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft (…) werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls erfolgen (…).“ (Rn. 13)

Im Rahmen der Gesamtwürdigung war vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung zu beachten: „Dabei hätte Berücksichtigung finden müssen, dass dem Tatopfer (…) u. a. eine 20 cm tiefe bis auf den Knochen reichende Stichverletzung im Oberschenkel beigebracht wurde. Das LG ist – offenbar bezogen auf den für (…) § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erforderlichen Vorsatz – selbst davon ausgegangen, dass dem Angekl. aufgrund der Gefährlichkeit seines Tuns bewusst gewesen sein müsse, dass auch Messerstiche in die Beine generell geeignet seien, das Leben des Opfers zu gefährden, da theoretisch eine Hauptschlagader im Bein hätte getroffen werden können.“ (Rn. 16)

Die Erwägung des LG „bei der Tat habe es sich um eine in Rockerkreisen nicht unübliche Bestrafungs­aktion gehandelt (…), ist nicht geeignet, die Annahme eines bedingten Tötungs­vorsatzes in Frage zu stellen. Denn mit bedingtem Tötungs­vorsatz handelnde Täter haben kein Tötungs­motiv, sondern gehen einem anderweitigen Handlungs­antrieb nach (…). Die Absicht, das Tatopfer zu bestrafen, steht daher der Bejahung eines bedingten Tötungs­vorsatzes nicht entgegen. Allerdings kann sich aus der Art des jeweiligen Handlungs­antriebs ein Rückschluss auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen ergeben.“ (Rn. 17)
Schließlich habe das LG nicht bedacht, „dass bedingter Tötungs­vorsatz auch dann vorliegen kann, wenn der Eintritt des tödlichen Erfolgs dem Täter gleichgültig (…) oder sogar unerwünscht ist.“ (Rn. 18)

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