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BGH, Beschl. v. 7.03.17 – 3 StR 501/16: Zur Korrektur des Rücktrittshorizonts beim Tötungs­versuch

Sachverhalt:

Der Angekl. A und der Nebenkl. N gerieten nach dem Genuss größerer Mengen Alkohol und Medikamente in Streit. A schlug zunächst mit der Faust gegen die Brust oder Schulter des N, der dadurch zu Boden fiel. Nach weiteren Faustschlägen gegen den Kopf des N ergriff A eine Personenwaage und schlug damit mehrfach mit großer Wucht auf den Kopf des N, wobei er dessen Tod für möglich hielt und billigte. Sodann ergriff er einen kleinen Hammer, mit dem er kraftvoll auf den Kopf des N schlug. Hiernach nahm er ein Brotmesser, mit dem er in der Absicht N zu töten, diesem einen Schnitt am Hals beibrachte. Trotz der Verletzungen bestand für N keine konkrete Lebens­gefahr. Obwohl A die Fortführung der Verletzungs­handlungen weiterhin möglich war, ließ er von N ab. Zu diesem Zeitpunkt hielt er es für möglich, dass N an den beigebrachten Verletzungen sterben könnte. Kurze Zeit später setzte sich A, der seinen Vorsatz N zu töten, aufgegeben hatte, neben N und drückte ihm mehrmals ein Kissen auf das Gesicht, um dessen Laute zu unterbinden. Dabei achtete er darauf, dass er das Kissen zurückzog, wenn er merkte, dass N in Atemnot geriet.

Aus den Gründen:

Nach Ansicht des BGH sei nicht auszuschließen, dass A strafbefreiend vom unbeendeten Versuch des Totschlags zurückgetreten ist.

„Ein unbeendeter Versuch kommt auch dann in Betracht, wenn der Täter nach seiner letzten Tathandlung den Eintritt des Taterfolgs zwar für möglich hält, unmittelbar darauf aber zu der Annahme gelangt, sein bisheriges Tun könne diesen doch nicht herbeiführen, und er nunmehr von weiteren fortbestehenden Handlungs­möglichkeiten zur Verwirklichung des Taterfolges absieht. Die Frage, ob nach diesen Rechts­grundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf bei versuchten Tötungs­delikten insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungs­handlung noch zu vom Täter wahrgenommenen körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, das Opfer sei bereits tödlich verletzt. Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des Täters zu erschüttern, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben.“ (Rn. 7)

Anders als zunächst von A angenommen, verstarb N nicht alsbald an den mit Tötungs­vorsatz beigebrachten Verletzungen, sondern war noch zu Hilferufen in der Lage und sein tatsächlich nicht konkret lebens­bedrohlicher Zustand verschlechterte sich nicht wesentlich. Daher erscheine es jedenfalls als möglich, dass A im Zeitraum nach der letzten Ausführungs­handlung bis zum Eintreffen der Polizei nicht mehr davon ausging, N tödlich verletzt zu haben.

Nach Ansicht des BGH kommt auch eine Verurteilung nur wegen eines Totschlagsversuchs in Betracht: „Eine natürliche Handlungs­einheit [liegt] grundsätzlich dann vor, wenn mehrere strafrechtlich relevante Handlungen des Täters, die durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind, in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und sein gesamtes Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungs­weise auch für einen Dritten als einheitliches Tun erscheint; dabei begründet auch der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres die Annahme einer Zäsur.“ (Rn. 10) Wegen des engen Zusammenhanges der Ausführungs­handlungen und des durchgehend vorhandenen Tötungs­willens des A habe die kurze Unterbrechung des Geschehens die natürliche Handlungs­einheit zwischen den einzelnen Angriffen nicht unterbrochen.

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