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BGH, Urt. v. 25.4.2017 – 5 StR 433/16: Mittäterexzess und sukzessive Mittäterschaft

Zur Billigung eines Mittäterexzesses durch einen Messereinsatz beim Raub und deren Zurechnung im Rahmen sukzessiver Mittäterschaft

Sachverhalt:

Die zwei Angeklagten, sowie P und U entschlossen sich, den an einem U-Bahnhof wartenden G ggf. unter Anwendung oder Androhung körperlicher Gewalt dazu zu bringen, sein Geld und sein Handy herauszugeben. Die Drohgesten der Angekl. und P blieben zunächst erfolglos. Für die Angekl. überraschend holte U ein Messer (Länge: ca. 10 cm) aus seiner Hosentasche, sprang auf G zu und stach in Richtung dessen Oberkörpers. Während G zurückwich und dabei zu Fall kam, versuchte U noch mehrfach, jedoch vergeblich, ihn mit dem Messer zu treffen. Als G wieder aufgestanden war, schlugen alle Tatbeteiligten auf G ein. Das Messer hatte U an andere Personen, die das Geschehen ohne sich einzumischen beobachteten, weitergereicht. Als A dem G einen gezielten Faustschlag auf die Nase versetzte, nahmen die Tatbeteiligten G’s Handy, sowie 40 € aus seiner Tasche.

Das LG hat die Angekl. wegen Raubes nach § 249 I StGB in Tateinheit mit § 224 I Nr. 4 StGB verurteilt.

Aus den Gründen:

Die Verwendung des Messers war nach dem BGH hier i.R. sukzessiver Mittäterschaft den Angekl. zuzurechnen. Sukzessive Mittäterschaft liegt vor, „wenn in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen – auch wenn dies in wesentlichen Punkten von dem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht – in eine bereits begonnene Ausführungs­handlung als Mittäter eingetreten wird. Das Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass diese strafrechtlich zugerechnet wird.“ (Rn. 9)

Da die Wegnahme der Sache noch nicht erfolgt war, lag hier noch kein vollständig abgeschlossenes Geschehen vor, das eine strafbare Verantwortlichkeit nicht mehr begründen könnte. „Die Weitergabe des Messers durch die unbekannte Person an außen­stehende Dritte stellte auch nicht etwa einen(Teil-)Rücktritt von der Qualifikation des § 250 Abs. 2 StGB dar. Durch den Gebrauch des Messers war das Qualifikations­merkmal bereits verwirklicht und die qualifikations­begründende erhöhte Gefahr schon eingetreten (…).“ (Rn. 10)

Die Beweiswürdigung des LG, dass die Angekl. den Messereinsatz nicht gebilligt haben, sei rechts­fehlerhaft. Dass das Messer hier „sofort“ wieder „aus dem Geschehen genommen“ worden sei, lasse sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Folgerung der Billigung könne vor allem durch Rückschlüsse aus dem äußeren Tatgeschehen getroffen werden: „Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angekl. Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen – selbst bei nicht widerlegbaren, aber durch nichts gestützten Angaben des Angekl. – keine Anhaltspunkte bestehen (…). Nichts anderes gilt für die Billigung eines Mittäterexzesses bei sukzessiver Mittäterschaft. Unter diesem Blickwinkel begegnet die Feststellung, die Angekl. hätten den Messereinsatz bei ihren diesem nachfolgenden Handlungen (unter anderem: mehrfaches Ansetzen zu Schlägen, Faustschlag ins Gesicht, Wegnahme von Handy und Geld) nicht gebilligt, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.“ (Rn. 13)

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