Bestimmt jemand eine andere Person zur straflosen Selbstbezichtigung bzgl. einer Ordnungswidrigkeit, so ist dies – ohne Hinzutreten weiterer, eine tatsächliche Tatherrschaft begründender Umstände – als straflose Anstiftung und nicht als falsche Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft zu qualifizieren.
Sachverhalt:
F, Fachanwalt für Strafrecht, riet zwei Mandanten, die einer Verkehrsordnungswidrigkeit verdächtig waren, den Zeugenfragebogen der Bußgeldbehörde einer ihnen ähnlich sehenden Person zu überreichen und diese dazu anzuhalten, sich fälschlicherweise als Fahrzeugführer zur Tatzeit anzugeben. F wollte auf diese Weise erreichen, dass das Bußgeldverfahren zunächst gegen den angeblichen Fahrzeugführer geführt und dass sodann, nach Einlegung des Einspruchs beim AG unter Angabe des wahren Fahrzeugführers, das Bußgeldverfahren eingestellt bzw. ein Freispruch erfolgen würde, während das Verfahren gegen den tatsächlichen Fahrzeugführer in der Zwischenzeit verjährt wäre, sodass seine Mandanten nicht mehr verfolgt werden konnten. Die StA hält F in zwei Fällen wegen Anstiftung zur falschen Verdächtigung, gem. §§ 164 II, I, 25 I 2. Alt., 26 StGB, für strafbar.
Aus den Gründen:
„In beiden Fällen (…) behauptet jeweils eine Person gegenüber der Bußgeldbehörde wider besseren Wissens Tatsachen, die geeignet sind ein behördliches Verfahren gegen sich selbst herbeizuführen. Diese Selbstbezichtigung ist jedoch straflos (…).“ (Rn. 6) „§ 164 II setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut eine Behauptung in Bezug auf eine andere Person voraus, namentlich die Verdächtigung eines anderen.“ Die angeblichen Fahrzeugführer „haben ausschließlich über sich selbst bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen (…) abgegeben, indem sie sich jeweils selbst des Fahrens mit überhöhter Geschwindigkeit bzw. eines Rotlichtverstoßes bezichtigten.“ (Rn. 7) „§ 145d II Nr. 1 setzt eine rechtswidrige Tat im Sinne von § 11 I Nr. 5 voraus. Vorliegend wurde (…) jedoch lediglich über eine angeblich von Ihnen begangene Ordnungswidrigkeit getäuscht (…).“ (Rn. 8)
Zur Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft führt das LG zunächst Grundsätzliches aus: „Das Wesen der mittelbaren Täterschaft besteht darin, dass der Täter die einzelnen Merkmale des Straftatbestandes nicht selbst verwirklicht, sondern sich dazu eines anderen, des sog. Tatmittlers (auch Werkzeug) bedient. Dementsprechend ist mittelbarer Täter, wer mit Tatherrschaft (…) einen anderen veranlasst, für ihn die zur Verwirklichung des Straftatbestandes notwendigen Handlungen als Teil eines von ihm verfolgten Gesamtplanes vorzunehmen. (…) Entsprechend dem Wesen der mittelbaren Täterschaft muss sich „das Gesamt-Geschehen als Werk des steuernden Willens des Hintermannes darstellen“ und dieser muss „den Tatmittler durch seinen Einfluss in der Hand haben“. (Rn. 11)
Nötigungsherrschaft, Irrtumsherrschaft oder Organisationsherrschaft liegen hier nicht vor. „Ferner kann die vorliegende Konstellation auch nicht unter die Fallgruppe des qualifikationslosen dolosen Werkzeuges subsumiert werden. (…) Dieser Fallgruppe immanent ist jedoch, dass der Hintermann eine Garantenstellung für das tatbestandlich geschützte Rechtsgut innehat, was aber bei dem durch jedermann begehbaren Delikt der falschen Verdächtigung (…) eindeutig nicht der Fall ist.“ (Rn. 13)
Auch die Fallgruppe des absichtslosen dolosen Werkzeugs sei nicht einschlägig: „Sie versteht sich (…) als eine Art normativer Tatherrschaftszurechnung aufgrund beim Tatmittler fehlenden und allein beim Hintermann vorhandenen Tatinteresses und wurde zur Schließung von Strafbarkeitslücken für Fälle entwickelt, bei denen der Tatmittler absichtslos handelt. Folgt man jedoch konsequent der Tatherrschaftslehre, so kann eine mittelbare Täterschaft nicht in Betracht kommen, denn die Veranlassung der Tat eines verantwortlich Handelnden begründet wegen ihres bloßen Anstiftungscharakters grundsätzlich keine Herrschaft des Hintermannes.“ (Rn. 14) „Die dem entgegenstehende Argumentation, die fehlende Absicht des Werkzeuges sei ein zwingendes Indiz für seine Unterordnung unter den Willen des Täters und somit für dessen Tatherrschaft ist verfehlt, da sie die dogmatisch saubere Trennlinie zwischen Täterschaft und Teilnahme aufgibt und bei praktisch jedem fremdnützigen Handeln des Ausführenden eine Tatherrschaft des Hintermannes begründen will (…).“ (Rn. 15)
Der Versuch, „dem Hintermann doch noch eine tatsächliche Tatherrschaft mit der Argumentation zuschreiben zu wollen, dieser halte (…) die Herrschaft über den Geschehensablauf gleichwohl weiter auch selbst in der Hand, weil er sich zu jedem Zeitpunkt an die Bußgeldbehörde wenden und den wahren Sachverhalt offenbaren (…) könne und weil der Tatmittler einer etwaigen Aufgabe des Tatvorhabens durch den Hintermann, in Ermangelung eigenen Tatinteresses, keinen Widerstand entgegengesetzt hätte, verwischt in unzulässiger Weise die Grenzen hin zu Unterlassungsdelikten und verkennt, dass nicht jeder, der die Tat eines anderen verhindern kann dadurch zum Täter wird.“ (Rn. 19)