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BGH, Beschl. v. 18.12.2018 – 4 StR 493/18: Zum Fehlschlag des Versuches

Leitsätze:
Ein fehlgeschlagener Versuch ist nur dann anzunehmen, wenn die Tat nach der Vorstellung des Täters mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln nicht mehr ausgeführt werden und nur noch mit zeitlicher Verzögerung nach dem Ingangsetzen einer neuen Kausalkette vollendet werden kann
Der Versuch ist nicht fehlgeschlagen, wenn der Täter, wie er weiß, ohne zeitliche Zäsur sofort ein neues bereitstehendes Mittel einsetzen könnte, auch wenn er daran bei der gedanklichen Vorbereitung der Tat nicht gedacht hat (...). Unschädlich ist auch der Übergang von bedingtem zu direktem Vorsatz, solange hierdurch die Einheitlichkeit des Gesamtgeschehens weder in zeitlicher noch örtlicher Hinsicht beseitigt wird

Sachverhalt:
In der Wohnung des Angeklagten (A) kam es zwischen A und N zu einer tätlichen Auseinandersetzung. A bedrohte N mit dem Tode, sofern er nicht gehe. Als N rief, er werde die Wohnung auf keinen Fall verlassen, und den A mit beleidigenden Äußerungen herausforderte, warf A den N mit den Worten „Jetzt bringe ich dich um“, kopfüber über die Balkonbrüstung. Dabei nahm er den Tod des N billigend in Kauf. A, dem die Folgen des Sturzes für N völlig egal waren, rief erst infolge mehrmaligen Drängens des Bekannten einen Krankenwagen. N erlitt infolge des Sturzes ernsthafte Körperverletzungen.

Das Landgericht hat A wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der BGH hat der Revision des A stattgegeben.

Aus den Gründen:
Das Landgericht hat es versäumt in den Blick zu nehmen, ob die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24 I StGB vorliegen, da es unter Zugrundelegung des falschen rechtlichen Maßstabs einen fehlgeschlagenen Versuch angenommen hat.
Nach der neueren Rechts­prechung ist (...) alleine entscheidend, wie sich der Täter den Versuchsverlauf nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungs­handlung vorstellte. Kann die Tat nach der Vorstellung des Täters mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln nicht mehr ausgeführt werden und nur noch mit zeitlicher Verzögerung nach dem Ingangsetzen einer neuen Kausalkette vollendet werden, liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor (...). Könnte der Täter demgegenüber, wie er weiß, ohne zeitliche Zäsur sofort ein neues bereitstehendes Mittel einsetzen, liegt in der Verwendung des neuen Mittels – auch wenn der Täter daran bei der gedanklichen Vorbereitung der Tat nicht gedacht hat – lediglich die Festigung des Tatentschlusses, den er mit nacheinander zum Einsatz gebrachten Mitteln verwirklicht. Unschädlich ist auch der Übergang von bedingtem zu direktem Vorsatz, solange hierdurch die Einheitlichkeit des Gesamtgeschehens weder in zeitlicher noch örtlicher Hinsicht beseitigt wird (...) Anderenfalls würde auch der nur mit dolus eventualis handelnde Täter schlechter gestellt als derjenige Täter, der mit dolus directus handelt (...). (Rn. 7)

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