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BGH. Urt. v. 15.08.2018 – 2 StR 152/18: Zur Sittenwidrigkeit bei der Einwilligung in eine Körperverletzung

Sachverhalt: Der Angekl. A ritzte mit einem goldenen Taschenmesser seine Initialen in die Haut der J im unteren Bereich ihres Rückens in einer Höhe von rund 10 cm und einer Breite von rund 20 cm. J sei damit einverstanden gewesen. Deshalb wurde A mangels Rechts­widrigkeit der Tat vom Vorwurf der Körperverletzung gem. § 224 I Nr. 2 StGB, dessen Tatbestand das LG als erfüllt ansah, freigesprochen. Die „Behandlung“ der J durch A sei im Übrigen nicht lebens­gefährdend gewesen und habe infolge der Narbenbildung auch keine dauernde erhebliche Entstellung nach sich gezogen.

Aus den Gründen:
Der BGH hat insoweit keine rechtlichen Bedenken: Die Einwilligung sei wirksam, da die Tat nicht gem. § 228 StGB gegen die guten Sitten verstoße.
„Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit zwar nicht allein, aber vor allem auf die ex-ante zu bestimmende Art und Schwere des Rechts­gutsangriffs ankommt (…). Für die Sittenwidrigkeit der Tat ist entscheidend, ob die Körperverletzung wegen des besonderen Gewichts des jeweiligen tatbestandlichen Rechts­gutsangriffs unter Berücksichtigung des Umfangs der eingetretenen Körperverletzung und des damit verbundenen Gefahrengrads für Leib und Leben des Opfers trotz Einwilligung des Rechts­gutsträgers nicht mehr als von der Rechts­ordnung hinnehmbar erscheint.“ (Rn. 20)

„Entgegen der Auffassung der Staats­anwaltschaft begegnet es (…) keinen rechtlichen Bedenken, dass das LG zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit die Zwecksetzung des Handelns des [A], die [J] gleichsam zu „zeichnen“, unberücksichtigt gelassen hat. Die Weite und Konturenlosigkeit des Merkmals der guten Sitten in § 228 StGB erfordert, dieses strikt auf das Rechts­gut der Körperverletzungs­delikte zu beziehen und auf seinen Kerngehalt zu reduzieren (…). Gesellschaft­liche Vorstellungen oder der durch die Tat verfolgte Zweck können lediglich dazu führen, dass ihretwegen eine Einwilligung trotz massiver Rechts­gutsverletzungen Wirksamkeit entfalten kann (…). Zur Feststellung eines Sittenverstoßes und damit – über die Unbeachtlichkeit der Einwilligung – zur Begründung der Strafbarkeit von einvernehmlich vorgenommenen Körperverletzungen.“ (Rn. 20)

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