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BGH, Beschl. v. 26.02.2019 – 4 StR 514/18: Zum Rücktritt vom Versuch durch Verhinderung der Vollendung (§ 24 I 1 Alt. 2 StGB)

Sachverhalt: Der Angekl. A fasste den Entschluss, in seiner Wohnung in einem Mehrfamilienhaus ein Feuer zu legen, um anschließend die Hausrats­versicherung in Anspruch zu nehmen. Es war A bewusst, dass das gesamte Haus in Brand geraten und andere Bewohner zu Tode kommen könnten, was er billigend in Kauf nahm. A legte planmäßig gegen 0.40 Uhr ein Feuer in seiner Wohnung. Um den Tatverdacht von sich auf eine dritte Person zu lenken, warf er seine Geldbörse in den Hausflur, ließ seine Wohnungs­tür offen stehen und fügte sich mit einem Messer Verletzungen zu. Daraufhin wählte er die Notrufnummer und gab an, dass bei ihm eingebrochen worden sei, der Täter habe ihn angegriffen und seine Wohnung stehe in Flammen. Hierdurch wollte A den von ihm beabsichtigten Versicherungs­betrug vorbereiten; ihm ging es nicht darum, die übrigen Hausbewohner zu retten. Zur Unter­mauerung des Über­falls legte sich A vor seiner Wohnung in den Flur, wo er versehentlich erneut den Notruf anrief; nunmehr forderte er ausdrücklich ein Löschfahrzeug der Feuerwehr an. Anschließend konnte er aufgrund des starken Rauchs nicht mehr aufstehen und rief laut um Hilfe. Zur Tatzeit befanden sich 6 weitere Personen im Gebäude, die alle unverletzt gerettet werden konnten. Das LG hat A u.a. wegen versuchten Mordes in sechs tateinheitlich zusammentreffenden Fällen verurteilt.

Aus den Gründen:
Der Schuldspruch wegen versuchten Mordes hat keinen Bestand. Das LG hat insoweit einen Rücktritt vom Versuch mit rechtlich nicht trag­fähigen Erwägungen abgelehnt. „Es hat hierzu ausgeführt, dass ein Rücktritt nach § 24 I 1 StGB ausscheide, da die Notrufe des [A] nicht auf die Rettung der anderen Hausbewohner gerichtet gewesen seien. [A] habe nämlich bei den Notrufen verschwiegen, dass es sich bei dem Brandobjekt um ein Mehrfamilienhaus handele, und habe nur Hilfe für sich selbst angefordert; er habe auch davon abgesehen, die übrigen Hausbewohner vor dem Feuer zu warnen, obwohl ihm dies möglich gewesen sei.“ (Rn. 12)

„Soweit das LG darauf abgestellt hat, dass [A] wirksamere Rettungs­bemühungen hätte entfalten können, geht dies über die Anforderungen an einen Rücktritt nach § 24 I 1 2. Alt. StGB hinaus.“ (Rn. 13) „Erweist sich das auf Erfolgsabwendung gerichtete Handeln des Versuchstäters als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung ursächlich im Sinne des § 24 I 1 2. Alt. StGB, so kommt es nicht darauf an, ob dem Täter schnellere oder sichere Möglichkeiten der Erfolgsabwendung zur Verfügung gestanden hätten; das Erfordernis eines „ernsthaften Bemühens“ gemäß § 24 I 2 StGB gilt für diesen Fall nicht. (…) Da die Strafkammer davon ausgegangen ist, dass die von [A] abgesetzten Notrufe kausal waren für die Rettung aller anwesenden Hausbewohner, ist dies für einen Rücktritt nach § 24 I 1 2. Alt. StGB ausreichend. Auf ein etwaiges Nichtergreifen besserer Rettungs­handlungen kommt es nicht an.“ (Rn. 14)

Einem Rücktritt steht auch nicht entgegen, dass A mit seinem Vorgehen den Versicherungs­betrug vorbereiten wollte. „Verschleierungs­bemühungen schließen einen Rücktritt nicht aus, wenn die Verhinderung der Tatvollendung Teil dieser Bemühungen ist; anders ist dies nur, wenn die Tatvollendung im Rahmen der Verschleierungs­handlung lediglich aus Versehen verhindert wird (…). Nach den getroffenen Feststellungen alarmierte [A] die Rettungs­kräfte zwar, um den von ihm erfundenen Hergang – Über­fall und Brandlegung durch einen Dritttäter – glaubhaft erscheinen zu lassen. Hiermit hat er aber notwendigerweise zugleich Rettungs­maßnahmen in Gang gesetzt.“ (Rn. 16)

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