Sachverhalt:
Der Angeklagte befand sich zusammen mit dem Geschädigten B, dem Gastgeber sowie den beiden Zeugen C und D auf einem Gartenfest. Nachdem der Gastgeber einen Streit zwischen A und B geschlichtet hatte, der durch eine Beleidigung des A ausgelöst wurde, verließen B, C und D das Gartengrundstück und blieben im Bereich des Garteneingangs stehen. Der A ging davon aus, dass die drei Personen ihn zur Rede stellen und gegebenenfalls handgreiflich werden wollen. Um für eine körperliche Auseinandersetzung gewappnet zu sein und um sicher zu gehen, dass er sich durchsetzen werde, nahm A ein in der Hütte befindliches Messer mit.
Als A beim Verlassen des Grundstücks an dem B vorbeiging, äußerte dieser sinngemäß unter anderem „jetzt hau‘ ich Dich“ und packte ihn an der Schulter. Daraufhin versetzten sowohl A als auch B dem jeweils anderen einen Faustschlag im Kopfbereich. Nunmehr zog A das Messer und stach dem B in die rechte Flanke oberhalb des Darmbeinkamms. Der Stich drang mindestens zehn Zentimeter in die Muskulatur der rechten seitlichen Bauchwand in Richtung Körpermitte zur Niere ansteigend ein. Es kam zu einer leichten Blutung im Bereich der Flexur des Dickdarms, ohne dass dieser selbst verletzt wurde. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass der Stich tödliche Folgen haben konnte; dies war ihm jedoch gleichgültig.
B bemerkte sofort den Schmerz infolge des Stichs und rief: „Er hat mich gestochen“. Spätestens jetzt wusste A, dass der Stich getroffen hatte. Ihm war bewusst, dass er den Stich mit Wucht geführt hatte und er ging davon aus, dass er B empfindlich, möglicherweise auch tödlich verletzt hatte. Zugleich befürchtete er, er würde es spätestens jetzt nicht nur mit B, sondern auch mit den Zeugen C und D zu tun bekommen, nachdem diese gesehen hatten, dass er einen Messerstich ausgeführt hatte. Deshalb führte er keine weiteren Stiche mehr durch, sondern ergriff die Flucht Richtung Wald. Der C verfolgte zunächst den A, brach die Verfolgung aber ab, weil A schnell rannte und er sich um B kümmern wollte
Das LG verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Das Gericht nahm einen beendeten Versuch an, von dem der Angeklagte nicht durch bloßes Nichtweiterhandeln strafbefreiend zurücktreten konnte. Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts von dem Versuch des Totschlags hält rechtlicher Nachprüfung jedoch nicht stand.
Aus den Gründen:
Das Landgericht habe die Annahme eines beendeten Versuchs nicht hinreichend belegt. „Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen einem unbeendeten Versuch, bei dem nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, und einem beendeten Versuch ist das Vorstellungsbild des Täters unmittelbar nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont). Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist anzunehmen, wenn er zu diesem Zeitpunkt den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.“ (Rn. 7)
„Lässt sich den Urteilsfeststellungen das (…) Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Im vorliegenden Fall fehlen insbesondere Feststellungen zum Zustand des Geschädigten unmittelbar nach der Tat und zur Wahrnehmung desselben durch den Angeklagten, die im Regelfall einen Rückschluss auf das Vorstellungsbild des Täters zulassen. Das Landgericht hat lediglich darauf abgestellt, dass der Geschädigte den Stich bemerkt habe, zu seinem Zustand – etwa, ob er nach dem Messerstich weiter aufrecht stand und wie stark er blutete – und den entsprechenden Wahrnehmungen des Angeklagten hat das Landgericht aber keine weiteren Feststellungen getroffen. „(Rn. 8)
„Zudem begegnet die weitere Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe nicht freiwillig von der weiteren Tatausführung Abstand genommen, durchgreifenden Bedenken. Eine fehlende Freiwilligkeit ist nicht ausreichend belegt. Soweit die Strafkammer darauf abstellt, der Angeklagte sei nach dem Messerstich davon ausgegangen, dass er es nun auch mit den Zeugen C und D zu tun bekomme, ergibt sich aus dem Tatablauf nicht ohne weiteres, warum sich die Situation signifikant gegenüber der Ausgangssituation, in die sich der Angeklagte bewaffnet mit dem Messer und in Kenntnis der Begleitung des Geschädigten durch die genannten Zeugen und damit deren Übermacht begeben hatte, geändert haben sollte. Insoweit wäre festzustellen, inwieweit die Zeugen – für den Angeklagten erkennbar – auf den Messerstich reagiert haben und ob sie eingriffsbereit waren (…).“ (Rn. 9)