Sachverhalt:
Der Angekl. A und die Mitangekl. H und B fuhren mittags zur Wohnung des D, um von diesem die Rückzahlung von 800 € zu verlangen, die A dem D geliehen hatte. Dabei wollten sie gewaltsam vorgehen. Als ihnen die Tür geöffnet wurde, schlugen sie tatplangemäß auf die Person ein, die sie für D hielten. Nachdem sie erkannten, dass es sich tatsächlich um M handelte, ließen sie von ihm ab. Sie durchsuchten die Wohnung nach Bargeld und wertvollen Gegenständen. M, der von B mit einer Pfanne bedroht wurde, nahm dies hin. A, B und H nahmen die Spielkonsole des D an sich und verließen die Wohnung. Sie beabsichtigten, die Spielkonsole später gegen Zahlung der Geldsumme an D zurück zugeben (Fall 1).
Am Abend kündigte D den dreien an, dass er die 800 € gegen Rückgabe der Spielkonsole in seiner Wohnung zurückzahlen werde. Aus Angst vor einer körperlichen Auseinandersetzung und ggf. zur gewaltsamen Durchsetzung der Forderung steckten A und H jeweils ein Wurfmesser ein, B nahm ein Teleskopschlagstock mit. D ging ebenfalls von einer körperlichen Auseinandersetzung aus und bat deshalb neben M zwei weitere Beteiligte und den Nebenkläger N um Unterstützung. D selbst traf am Hauseingang unbewaffnet auf A, B und H, während M eine Aluminiumstange bei sich trug. Die drei anderen Beteiligten sollten über einen Nebeneingang von der Seite hinzukommen; N hatte einen Golfschläger bei sich. Ungeklärt blieb, ob die Gruppe um N in jedem Fall, oder nur für den Fall einer körperlichen Auseinandersetzung A, B und H angreifen sollte.
Als D die Zahlung verweigerte, packte A ihn und drückte ihn gegen die Briefkastenanlage. Darauf kamen die drei Beteiligten über den Nebeneingang hinzu. Es kam zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten, in der zwischen A und D keine Gegenstände eingesetzt wurden. N schlug dem A mit dem Golfschläger fest auf den rechten Beckenknochen und den linken Arm, um A von weiteren Schlägen auf D abzuhalten. A zog daraufhin sofort sein Wurfmesser und stach mit Körperverletzungsvorsatz dem N mindestens sechs Mal in den Hals- und Unterleibsbereich. N erlitt dadurch lebensgefährliche Verletzungen (Fall 2).
Das LG hat die Taten des Angeklagten als gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung gewertet. Nach Auffassung des BGH hält Fall 2 der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht eine Rechtfertigung des A durch Notwehr nicht hinreichend begründet abgelehnt hat.
Aus den Gründen:
Das LG ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass eine schuldhafte Provokation das Notwehrrecht einschränken kann, „wenn bei vernünftiger Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls der Angriff als adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheint.“ (Rn. 9) Allerdings ist nach Rechtsprechung des BGH Voraussetzung der Notwehreinschränkung, „dass die tatsächlich bestehende Notwehrlage durch ein rechtswidriges, jedenfalls aber sozialethisch zu missbilligendes Vorverhalten des Angegriffenen verursach worden ist und zwischen diesem Vorverhalten und dem rechtswidrigen Angriff ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht.“ (Rn. 9) Zudem ist ein motivationaler Zusammenhang erforderlich: Das pflichtwidrige Vorverhalten muss zum Verhalten des Angreifers beigetragen haben.
Es kann offen bleiben, ob das Vorverhalten des A in der Wohnung des D (Fall 1) noch eine das Notwehrrecht des A einschränkende Provokation darstellt.
Jedenfalls kann nicht eindeutig angenommen werden, dass der Schlag des N auf den A in einem motivationalen Zusammenhang mit der Mitnahme der Spielkonsole zur Mittagszeit oder dem Vorgehen des A gegen D an der Haustür stand. „Denn das Landgericht hat es jedenfalls auch für möglich gehalten, dass der A bewusst in einen Hinterhalt gelockt werde sollte, um ihn in jedem Fall überraschend anzugreifen.“ Deshalb ist nicht auszuschließen, dass das Vorverhalten des A am Mittag nur als Vorwand genutzt wurde, um den A aus dem Hinterhalt angreifen zu können. Legt man diesen Geschehensablauf zugrunde, hätte sich auch das Vorgehen des A auf D an der Haustür nicht mehr auf das Verhalten des N ausgewirkt, da N unabhängig davon bereits zum Angriff auf A entschlossen war, bevor er zu der Prügelei hinzukam. Das Landgericht hätte diesen für A günstigeren Sachverhalt nach dem Grundsatz in dubio pro reo seiner Entscheidung zugrunde legen und auf dessen Grundlage eine Rechtfertigung durch Notwehr prüfen müssen. Damit wurde die Rechtfertigung durch Notwehr nicht hinreichend tragfähig abgelehnt.
Anderweitige Gründe für den Ausschluss des Notwehrrechts des A sind ebenfalls nicht ersichtlich. Anhaltspunkte, die gegen die Rechtswidrigkeit des Angriffs des N sprechen, liegen nicht vor. Ein Angriffswille gegen N und damit ein fehlender Verteidigungswille des A ergibt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Da das Landgericht alleine auf die Ausweichpflicht des A wegen der vom Landgericht angenommen Einschränkung des Notwehrrechts durch schuldhafte Provokation der Notwehlage abgestellt hat, hat es eine Prüfung, ob der Einsatz des Wurfmessers gegen N in der gegebenen Kampflage ohne vorherige Androhung erforderlich war, unterlassen.