Sachverhalt:
Der Angekl. A trat auf eine Gruppe von Obdachlosen zu und bat um eine Zigarette. Der spätere Geschädigte G ignorierte die Bitte. Daraufhin wandte sich A einem anderen der Gruppe zu und äußerte diesem gegenüber, „dem Kollegen G“ gehe es nicht gut und er sei wohl betrunken. Dies fasste der G als Beleidigung auf. Er fragte wiederholt, was A den wolle. Der für A erkennbar stark Betrunkene G trat so nah auf den A zu, dass dieser im Gesicht vom Speichel des G getroffen wurde. Der mehrmaligen Aufforderung Abstand zu halten, kam der G nicht nach. A glaubte G wolle ihm mit der Bierflasche, welche sich in seiner Hand befand, schlagen. Diese entwendete er daraufhin und beleidigte den G als Spinner und drohte ihm Schläge an, falls er ihn berühre. Nachdem der G mehrmals die Bierfalsche erfolglos zurückforderte, holte er zu einem Schlag aus. Der Angeklagte wich zurück und verpasste dem G einen Schlag mit der Bierflasche auf den Kopf. Die Bierflasche zerbrach und G ging zu Boden. A trat dem G danach schwungvoll mit seinem Fuß gegen das Gesicht, um zu verhindern, dass der Geschädigte erneut zum Schlag ausholen konnte. A war beim Nachtreten durchaus bewusst, dass er sich genauso hätte entfernen können.
Das LG hatte den Tatbestand des § 224 I Nr.2 und 5 StGB bejaht und angenommen, dass die Tat nicht durch Notwehr (§ 32 StGb) gerechtfertigt sei. . Zwar bejahte es einen gegenwärtigen Angriff auf ein geschütztes Rechtsgut, verneinte jedoch die Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung. Das Notwehrrecht des A sei aufgrund der vorangegangenen Provokation der Äußerung, welche der G als Beleidigung auffasste eingeschränkt. Der A hätte lediglich Schutzwehr verüben dürfen.
Der BGH sieht die Ablehnung der Notwehr als rechtsfehlerhaft an.
Aus den Gründen:
Der Annahme, dass eine schuldhafte Provokation zu einer Einschränkung des Notwehrrechts führen kann, „wenn bei vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls der Angriff als adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheint“ (Rn.6), ist zuzustimmen. Eine Notwehreinschränkung wegen zumindest leichtfertiger Provokation setzt nach der Rechtsprechung des BGH allerdings voraus, „dass die tatsächlich bestehende Notwehrlage durch ein rechtswidriges, jedenfalls aber sozialethisch zu missbilligendes Vorverhalten des Angegriffenen verursacht worden ist und zwischen diesem Vorverhalten und dem rechtswidrigen Angriff ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht (…)“ (Rn. 6). Die bloße Kenntnis bzw. Annahme das ein rechtswidriger Angriff durch eignes Verhalten provoziert werden kann, reicht nicht aus. Nach Ansicht des BGH fehlt es an einer tragfähigen Begründung. Zum einen wurde das Kräfteverhältnis nicht ausreichend festgestellt, zum anderen wurde nicht klar herausgearbeitet, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Notwehrprovokation gehandelt habe. In der Äußerung „der Geschädigte sei wohl betrunken“ kann kein objektiv ehrverletzendes Verhalten gesehen werden. Zudem wurde der Zusammenhang zwischen der Handlung des Angeklagten und dem Verhalten des Angreifers nicht ausreichend dargelegt. Für den nachfolgenden Tritt wurden die Erwägungen unbeachtet gelassen, dass eine Rechtfertigung durch Notwehr auch dann möglich ist, wenn „neben der Abwehr des Angriffs noch andere Ziele verfolgt werden, solange sie den Verteidigungszweck nicht vollständig in den Hintergrund drängen“ (Rn. 10).