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BGH, Beschl. v. 18.02.2021 – 4 StR 266/20: Abgrenzung bedingter Tötungs­vorsatz von bewusster Fahrlässigkeit bei Kraftfahrzeugrennen

Sachverhalt:

A und M verabredeten sich mit ihren hochmotorisierten Fahrzeugen zu einem Kraftfahrzeugrennen. Sie fuhren um 21.50 Uhr zunächst vorschriftsmäßig auf einer geradlinig verlaufenden Straße, die jeweils über eine Fahrspur in jede Fahrtrichtung verfügt. Auf dieser vorfahrtsberechtigten Straße besteht eine Geschwindigkeits­begrenzung von 50 km/h und es münden Straßen von beiden Seiten ein. Ungefähr 226 Meter von der Unfallstelle entfernt befindet sich ein Bahnübergang, an dem A sein Fahrzeug auf die Gegenfahrspur lenkte und maximal beschleunigte. Absprach­egemäß beschleunigte auch M das von ihm gesteuerte Fahrzeug. Etwa 101 Meter vor der Unfallstelle wies A eine Höchstgeschwindigkeit von 157 km/h auf. Zu diesem Zeitpunkt sah er das Fahrzeug der Geschädigten G, die aus der Sicht des A von links aus einer Seitenstraße kommend in Fahrtrichtung des A auf die vorfahrtsberechtigte Straße einbog. Es ist nicht auszuschließen, dass G trotz eines vorhandenen Stoppschildes ihr Fahrzeug weder an der Halte- noch an der Sichtlinie vollständig zum Stillstand gebracht hat. Bei einer Geschwindigkeit von 167 km/h begann A sein Fahrzeug abzubremsen. Der Versuch, der G auszuweichen und auf die rechte Fahrspur zurückzukehren scheiterte und es kam zu einem frontalen Zusammenstoß, bei dem A noch eine Geschwindigkeit von 105 km/h aufwies. Dabei erlitt A schwerste Verletzungen, an denen sie im Krankenhaus verstarb.

Das LG hat die Tat als Mord in Tateinheit mit verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge gewertet. Es traf die Feststellung, dass A mit bedingtem Tötungs­vorsatz handelte. A habe das Auftauchen anderer Verkehrs­teilnehmer für möglich gehalten und wusste, dass er bei einer Maximalbeschleunigung Geschwindigkeiten erreichen würde, die das Abbremsen oder Ausweichen bei Sichtung anderer Verkehrs­teilnehmer unmöglich machen würden. Zudem sei A bewusst gewesen, dass sich auch zu dieser Uhrzeit noch Verkehrs­teilnehmer auf der Straße befinden, die nicht von einer länger befahrenen Gegenfahrbahn mit derartigen Geschwindigkeiten ausgehen.

Der BGH sieht die Annahme des subjektiven Tatbestands als rechts­fehlerhaft an.

Aus den Gründen:

Der bedingte Tötungs­vorsatz muss von der bewussten Fahrlässigkeit abgegrenzt werden. Der Täter handelt mit bedingtem Tötungs­vorsatz, wenn er „den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und er ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (…).“ (Rn. 9)

Für die Beurteilung ist eine umfassende Prüfung im Einzelfall in Bezug auf beide Vorsatzelemente vorzunehmen, bei der eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände notwendig ist. Insbesondere bei der Würdigung des Willenselements ist es notwendig, die Persönlichkeit des Täters ausreichend zu berücksichtigen. Die objektive Gefährlichkeit stellt in der Gesamtschau bei beiden Vorsatzelementen einen wichtigen Indikator dar.

Im Hinblick auf das voluntative Element sei die Gesamtwürdigung des LG lückenhaft, „weil sie die subjektive Einschätzung der Gefährlichkeit der Tathandlung durch den Angeklagten nur unvollständig in den Blick nimmt.“ (Rn. 11)

A erkannte, dass die anderen Verkehrs­teilnehmer eine solche Verkehrs­situation aufgrund der hohen Geschwindigkeiten nicht zutreffend einschätzen könnten. Indem ihm diese Fehleinschätzungen anderer bewusst war, ging er davon aus, dass die auf die Straße einbiegenden Verkehrs­teilnehmer ihn und M erkennen würden. Das Risiko eines Zusammenstoßes hängt daher nicht wie vom LG angenommen allein vom Zufall, sondern „auch vom Ausbleiben eines für möglich erachteten kollisionsvermeidenden Verhaltens der anderen Verkehrs­teilnehmer“ ab. (Rn. 12)

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